09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)
eingeschlossen. Das war das Beste, worauf er hoffen durfte.
Im Götterhain war es eigenartigerweise wärmer. Draußen hatte der harte weiße Frost Winterfell im Griff. Die Pfade waren heimtückisch wegen des schwarzen Eises, und Raureif funkelte auf den zerbrochenen Scheiben der Glasgärten. Schmutzige Schneewehen hatten sich vor den Mauern angehäuft und füllten alle Ecken und Winkel aus. Manche waren so hoch, dass sie sogar Türen verdeckten. Unter dem Schnee lagen graue Asche und Schlacke, hier und da ragte ein verkohlter Balken hervor oder ein Haufen Knochen, an denen noch etwas Haut oder Haare hingen. Von den Zinnen hingen Eiszapfen, so lang wie Lanzen, und sie säumten die Türme wie der steife Schnauzbart eines alten Mannes. Im Götterhain jedoch war der Boden nicht gefroren, und Dampf stieg aus den heißen Tümpeln auf, so warm wie der Atem neugeborener Kinder.
Die Braut trug Weiß und Grau, die Farben, die auch die echte Arya getragen hätte, wenn sie lange genug gelebt hätte, um zu heiraten. Theon trug Schwarz und Gold, sein Mantel wurde an der Schulter von einem groben Eisenkraken gehalten, den ein Schmied in Barrowton für ihn zusammengehämmert hatte. Aber unter seiner Kapuze war sein Haar weiß und dünn, und seine Haut war gräulich wie die eines Greises. Endlich ein Stark, dachte er. Arm in Arm ging er mit der Braut unter einem Steinbogentor hindurch. Um ihre Füße wirbelten Nebelfetzen. Die Trommelschläge schlugen so zittrig wie das Herz einer Jungfrau, und die Flöten klangen hoch und süß und lockend. Über den Baumwipfeln hing eine Mondsichel am dunklen Himmel, halb von Nebel verdeckt, als würde ein Auge durch einen Schleier aus Seide blicken.
Theon Greyjoy war in diesem Götterhain kein Fremder. Er hatte als Junge hier gespielt, hatte Steine über den kalten schwarzen Tümpel unter dem Wehrholzbaum hüpfen lassen, hatte seine Schätze im hohlen Stamm einer uralten Eiche versteckt und hatte mit einem selbstgebauten Bogen Eichhörnchen gejagt. Später, als er älter war, hatte er die blauen Flecken von den Übungsstunden mit Robb und Jory und Jon Snow in den warmen Quellen gelindert. Zwischen diesen Kastanien und Ulmen und Soldatenkiefern hatte er geheime Orte gefunden, wo er sich versteckte, wenn er allein sein wollte. Hier hatte er zum ersten Mal ein Mädchen geküsst. Und später hatte ein anderes Mädchen ihn in diesem Götterhain zum Mann gemacht, auf einer zerfransten Decke im Schatten dieses hohen graugrünen Wachbaumes.
So hatte er den Götterhain allerdings noch nie erlebt, grau und gespenstisch, mit diesem warmen Dunst und den schwebenden Lichtern und flüsternden Stimmen, die von überall und nirgends zu kommen schienen. Unter den Bäumen dampften die heißen Quellen. Warme Dämpfe drangen aus der Erde, hüllten die Bäume in ihren feuchten Atem und krochen die Mauern hinauf, wo sie die Fenster wie graue Vorhänge verschlossen.
Es gab eine Art Pfad, der sich durch den Hain schlängelte, einen Fußweg aus rissigen Steinen, die mit Moos überwachsen und halb unter Erde und Laub begraben waren. Man musste aufpassen, denn von unten drückten dicke braune Wurzeln die Steine hoch. Er führte die Braut über den Weg. Jeyne, ihr Name ist Jeyne, ganz allein in dieser Pein. Daran durfte er allerdings nicht denken. Wenn ihm dieser Name über die Lippen käme, würde es ihn wenigstens einen Finger oder ein Ohr kosten. Er ging langsam und achtete auf seine Füße. Wegen der fehlenden Zehen humpelte er, sobald er schneller lief, und er wollte auf keinen Fall stolpern. Wenn er Lord Ramsays Hochzeit durch einen Fehltritt verdarb, würde Lord Ramsay solche Unachtsamkeit vielleicht damit vergelten, dass er den ungeschickten Fuß häutete.
Im dichten Nebel waren nur die Bäume in unmittelbarer Nähe zu erkennen, hinter ihnen sah er hohe Schatten und trübe Lichter. Kerzen flackerten neben dem mäandernden Pfad unter den Bäumen, blasse Glühwürmchen in einer warmen grauen Suppe. Man fühlte sich wie ein einer seltsamen Unterwelt, einem zeitlosen Ort zwischen den Welten, wo die Verdammten eine Weile lang trauernd umherirrten, ehe sie den Weg hinab in jene Hölle fanden, die sie sich mit ihren Sünden verdient hatten. Sind wir also alle tot? Ist Stannis gekommen und hat uns im Schlaf getötet? Steht die Schlacht noch bevor, oder wurde sie bereits geschlagen und verloren?
Hier und da brannte eine Fackel gierig und warf ihren rötlichen Schein auf die Gesichter der Hochzeitsgäste. Weil der Nebel
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