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09-Die Pfade des Schicksals

09-Die Pfade des Schicksals

Titel: 09-Die Pfade des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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großen Schaden wiedergutzumachen.«
    Er versuchte ihren Blick zu erwidern, sah aber rasch wieder weg. In seiner Miene kämpften Wahrheiten und Lügen miteinander. »Ich biete keine Worte an.« Er sprach, als zwänge seine gespaltene Persönlichkeit ihn dazu, jedes Wort beißend scharf zu betonen. »Ich spreche nur, um den beschädigten Metallgegenstand zu erbitten, den du deinem Sohn unter dem Melenkurion Himmelswehr abgenommen hast.«
    Esmer fuhr leicht zusammen, als fürchtete er, Linden könnte ihn ins Gesicht schlagen.
    »Was?« Während ihre Gefährten Cails Sohn überrascht und verwirrt anstarrten, steckte Linden eine Hand in die Tasche, um Jeremiahs demoliertes rotes Rennauto zu berühren. »Ich soll dir ein Spielzeug geben?« Ihr einziges Andenken an den Jungen, den sie so viele Jahre geliebt hatte. »Bist du übergeschnappt? Ich denke nicht daran, dir …«
    »Weißgoldträgerin!«, rief Esmer, als hätte sie ihm den Todesstoß versetzt. Aber er beherrschte sich sofort wieder. Ruhiger fügte er hinzu: »Du bekommst es zurück.« Seine Augen waren feucht wie seine Wunden. »Trotzdem muss ich es haben. Ich muss es in der Hand halten.«
    Dann war es mit seiner Selbstbeherrschung vorbei. »Siehst du nicht, wie ich leide? Hörst du nicht, dass mein Kummer das Maß des Erträglichen übersteigt? Weißgoldträgerin, ich flehe dich an! Gib mir Gelegenheit zu einer kleinen Entschädigung für die Abscheulichkeiten, die ich gegen dich verübt habe.«
    »Linden«, murmelte Liand. »Vielleicht wäre es ratsam …«
    »Ring-Than«, warf Mahrtür streng ein. »Dieses gequälte Wesen strebt immer danach, Hilfe wie auch Verrat zu üben. Seine inneren Kämpfe haben wir zu unserem Nachteil miterlebt - aber auch zu unserem Vorteil. Und ich vergesse nicht, dass er seine Wunden bei der Verteidigung der Dämondim-Abkömmlinge erhalten hat, deren Treue außer Zweifel steht. Ich verstehe sein Verhalten nicht. Aber ist es nicht vorstellbar, dass er jetzt versucht, eine kleine Wiedergutmachung für seine Untaten zu leisten?«
    Linden sah zu Esmer hinüber. Mit den Fingern tastete sie die Stellen ab, wo der Croyel Jeremiahs Rennauto beschädigt hatte. Dieses Spielzeug hatte ihr Sohn mitgenommen, als Roger ihn entführt hatte: seine letzte Tat aus freier Entscheidung - und die einzige, die nichts mit seinen Kunstbauten zu tun gehabt hatte. Hatte er es auf Anweisung von Lord Foul mitgenommen? Weil er dem Verächter gehörte? Oder versinnbildlichte es etwas anderes? Hatte irgendein geheimer, abgeschotteter Teil seines Ichs das kleine Auto mitgenommen, weil er es brauchte? Weil es ihn tröstete? Weil es ihn an sie erinnerte?
    Weil er ihr etwas zu sagen versuchte …?
    In der Halle der Geschenke hatte Stave von den Kindern der Haruchai gesprochen - und von seinen eigenen Söhnen. Sie werden stark geboren, und es ist ihr Geburtsrecht, zu bleiben, wer sie sind.
    Dann hatte er gefragt: Weißt du bestimmt, dass sich das Gleiche nicht auch von deinem Sohn sagen lässt?
    Dort, in der Sicherheit von Schwelgenstein, hatte sie geantwortet, als legte sie ein Versprechen ab: Ich werde glauben, dass er das Recht hat, er selbst zu sein.
    Seit damals hatte sich nichts Wesentliches geändert. Der Croyel hatte Jeremiah noch immer in seiner Gewalt - und er war weiterhin ein Lügner. Während er wie die leere Hülle eines Jungen in ihrer Nähe stand, fiel es ihr schwerer, darauf zu vertrauen, irgendein wesentlicher Teil seines Charakters habe sich unverändert erhalten. Trotzdem hatte sich eigentlich nichts geändert.
    In Andelain hatte Covenant erklärt: Ich kann nicht glauben, dass er Entscheidungen getroffen hat, die sich nicht rückgängig machen lassen.
    Sie musste auf irgendetwas vertrauen.
    Was böse erscheint, braucht nicht von Anfang an böse gewesen zu sein - und muss nicht bis in alle Ewigkeit böse bleiben. Vielleicht traf das auch auf Esmer zu.
    »Also gut.« Mit zitternden Fingern zog sie den roten Renner aus der Tasche. Sein Anblick zerriss ihr das Herz. »Aber ich will ihn zurückhaben.«
    Esmer machte keine Bewegung. Wie Caerroil Wildholz es auf dem Galgenbühl mit dem Stab des Gesetzes gemacht hatte, ließ er das demolierte Spielzeugauto aus ihrer Hand zu sich herüberschweben. Dann fing er das Metall aus der Luft und umschloss es mit beiden Händen so sanft, als hätte er einen Schmetterling oder ein ähnlich empfindliches Wesen gefangen. Einige Augenblicke lang umgaben Energien seinen Kopf wie Sturmwolken. Seine Finger schienen zu

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