09-Die Pfade des Schicksals
sich nach dem weiß glühenden Zorn, der sie auf dem Galgenbühl erhalten hatte; aber diese granitene Entschlossenheit hatte sie eingebüßt. Linden war zu schwach und blind und erschöpft, um sie in ihrem Inneren wieder finden zu können.
»Du kannst dir nicht vorstellen«, fuhr ihr Sohn spöttisch fort, »wie viel Spaß es gemacht hat, dich hierherzudirigieren. Mit Leg osteinen! Anfangs hast du mir Sorgen gemacht. Du warst so schwer von Begriff! Aber nach deiner Ankunft in Schwelgenstein hast du geglaubt, alles zu verstehen. Danach musste ich nur noch warten.«
»Schluss damit!«, blaffte Covenant, als könnte er dem Croyel befehlen. »Das glaubt dir niemand. Dies hier hast du nie gewollt, sonst wärst du jetzt nicht so verängstigt.«
Seine Stimme klang unerwartet kräftig. Mit Lehrenwissen und Vitrim hatten die Urbösen mehr für ihn getan, als Linden hatte tun können.
»Du wolltest, dass wir hierherkommen«, fuhr Covenant fort. »Das bezweifle ich nicht. Sobald die Schlange aufgewacht war, konnte Lord Foul aufatmen. Er ist sich sicher, dass er dem Bogen entkommen wird. Deshalb ist er jetzt nur auf Unterhaltung aus: Er versucht möglichst viel Unheil zu stiften, während er abwartet. Das tut ihr alle: die Wüteriche und du, Lord Foul und mein Sohn.
Aber dies hier hast du nicht gewollt. Es ist dir - euch allen - nie in den Sinn gekommen, dass wir hier aufkreuzen und euch gefangen nehmen könnten. Du hast nicht mit ihr gerechnet.« Damit musste er Sie, die nicht genannt werden darf, meinen. »Ihr ist es egal, wie du schmeckst. Sie verschlingt alles. Du hast auf Roger vertraut. Aber nun bist du wie wir in Gefahr und deshalb völlig verängstigt.
Lass also deine höhnischen Bemerkungen«, schloss Covenant streng. »Weise ich Galt dazu an, bringt er dir gern ein paar Schnitte am Hals bei - nur zur Erinnerung daran, dass auch du sterblich bist.«
Jeremiah gab keine Antwort. Offenbar fürchtete der Croyel den Krill zu sehr, als dass er Covenants Androhung auf die Probe stellen wollte.
Während Liands Ödem auf ihr Gehirn drückte, konnte Linden sich nicht vorstellen, noch mehr Schmerzen empfinden zu können. Jede Steigerung hätte sie doch ins Koma sinken lassen müssen? Ich gehöre dem Verächter. Der Quälgeist ihres Sohns hatte ihr bewiesen, dass sie unrecht hatte.
Blindheit und unerträgliche Schmerzen drängten sie dazu, große Schlucke von dem Vitrim zu nehmen, das Stave ihr an die Lippen hielt.
Das kalte Getränk der Dämondim-Abkömmlinge schmeckte abgestanden und modrig, von Schimmel oder Alter eingedickt. Trotzdem trank sie gierig davon. Vitrim besaß nicht die heilende Vitalität von Heilerde; aber es brachte neue Kraft. Auf seine Weise war es nicht weniger reichhaltig und vital als Erdblut. Als Linden davon trank, halfen seine Energien ihr, das Trauma von Liands Verletzung zu absorbieren.
Lichtblitze schössen durch ihre Finsternis und ließen sie jeweils kurz sehen, als öffnete und schlösse sich ein Kameraverschluss. Wie Illusionen aus Lichtwahrnehmungen und Sinnenverwirrung erschienen ihr Covenant, der Jeremiah gegenüberstand … Stave, der dicht neben ihr kauerte … Bhapa, der sich herumdrückte, während Pahni Liand umarmte. Die Lichtblitze zeigten ihr auch einen in ihrer Nähe postierten Wegwahrer.
Linden war noch zu schwach, um mehr zu tun, als die Finger zu bewegen. Aber sie brauchte den Stab nicht fest zu umfassen, um sein potenzielles Feuer, seine Bereitschaft zu spüren. Sie schloss die Augen, um die Lichtblitze auszusperren, die an Reflexe von polierten Stahlklingen erinnerten, und griff nach Erdkraft.
Feuer und das Gesetz brachten ihr allmählich Linderung. Nach einiger Zeit war sie imstande, den Stab fest zu umfassen. Dann kam sie mühsam auf die Beine. Ihr Kopf tat weiter weh und schickte schrille Schmerzsignale ihr Rückgrat entlang, durch ihre Brust, in ihre Gliedmaßen. Aber die Schmerzen ließen mit jedem Herzschlag nach. Bald würde sie wieder denken und sprechen und planen können.
Als ihr Gesundheitssinn zurückkehrte, änderte das Wesen ihrer Notlage sich jedoch; es wurde umgewandelt. Durch die Theurgie der Wahrnehmungsgabe erhielten die körperlichen Schmerzen einen scharfen Beigeschmack von Unrecht. Auf fast unterschwelliger Ebene hörte oder spürte sie den Puls von etwas Bösem und Hungrigem, das aufstieg.
Sein Rhythmus war tief wie die Verschiebung tektonischer Platten, wie die sich aufstauende Gewalt eines Erdbebens.
Sie, die nicht genannt werden darf, ist
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