09-Die Pfade des Schicksals
auf den Zweifler zu vertrauen, obwohl er nicht mehr völlig er selbst und somit schwächer als früher ist.
Solange die Erde besteht, halten die Meister zu Thomas Covenant. Aber das tun wir hier, statt im Bann irgendeines Insequenten.«
Was Galt sagte, traf Linden wie ein Stich ins Herz. Aber das war doch eigentlich, was sie wollte? Covenant im sicheren Andelain zurückzulassen? Nach allem, was sie getan hatte, um ihm zu schaden und ihn auszunutzen, war sie ihm zumindest das schuldig. Und trotzdem wollte sie sich nicht von ihm trennen. Selbst Jeremiah konnte Covenants Platz in ihrem Herzen nicht ausfüllen.
Wie er war sie in einer Spalte in ihrem Inneren gefangen. Aber bei ihr handelte es sich um einen emotionalen Riss, nicht um bruchstückhafte Erinnerungen. Sie wartete und konnte sich nicht entscheiden.
Der Egger jedoch zögerte nicht mehr, sondern verkündete mit lauter Stimme: »Eure Diskussionen sind zwecklos, bloßes Geplänkel, während die Zeit gegen uns arbeitet. Ihr versucht die Lady zu überreden, aber ich höre nicht auf euch. Mein Schwur gilt nur ihr gegenüber. Ich denke nicht daran, mich mit ihren Gefährten zu belasten.«
»Doch, das tust du«, sagte der Eifrige, »wenn das ihre Interpretation ist.« Wie sein Selbstbewusstsein war auch sein Lispeln schwächer geworden. »Sollte sie ihren Sohn ohne Begleitung suchen wollen, werden ihre Wünsche durchgesetzt. Will sie jedoch nicht ohne ihre Freunde, ganz ohne Macht…« Seine Stimme verstummte, wie im Flattern seiner Bänder verweht.
Lindens Unentschlossenheit verflog schlagartig. Der Tonfall des Eggers bewirkte, dass sie sich auf unerwartet festem Boden wiederfand. Von einem Augenblick zum anderen verwarf sie ihren ursprünglichen Entschluss. Er wollte, dass sie ihre Gefährten zurückließ - und sie traute ihm nicht. Er brauchte ihre Hilflosigkeit. Sonst konnte er nicht zuversichtlich glauben, sie werde ihm zuletzt Jeremiah für seine Zwecke ausliefern.
Die Riesinnen und die Ramen, Liand und Stave … sie alle konnten imstande sein, ihrem Sohn auf ungeahnte Weise zu helfen. Sie glaubte, für Anele werde es gewachsenen Fels geben. Sie konnte es ertragen, Covenant mit den Gedemütigten und dem Krill in Andelain zurückzulassen, wenn das bedeutete, dass eine gewisse Hoffnung für das Land erhalten blieb.
Jetzt wandte sie sich dem Egger zu und kapitulierte nochmals, aber nicht vor ihm. Nicht vor ihm.
»In diesem Fall«, sagte sie laut und deutlich, »habe ich mir die Sache anders überlegt. Ich möchte meine Freunde mitnehmen.«
Die Not des Landes geht alle jetzt Lebenden an.
»Und ich habe gesagt«, antwortete der Egger aufgebracht, »dass ich nicht auf euch höre. Dies ist mein Vorhaben. Das dafür notwendige Wissen ist mein. Ich dulde nicht, dass alles, was ich ersehnt und begehrt habe, auf diese Weise korrumpiert wird.«
Der Eifrige fuhr zusammen und verdrehte die Augen. Sekundenlang machte er den Eindruck, er werde sich abwenden und flüchten. Aber dann kam ihm frischer Mut oder irgendein Zwang zur Hilfe. Heiser sagte er: »Lady, es ist mir ein Vergnügen und eine von den Insequenten auferlegte Pflicht, dir mitzuteilen, dass der wahre Name des Eggers …«
Der Egger giftete ihn an: »Schweig, du Narr! Verrätst du mich auf diese Weise, verrätst du auch dich selbst. Gibst du meinen Namen preis, erhält die Lady die Macht, mir zu befehlen. Damit durchkreuzt du meine Absichten - und gehst durch die eigene Tat zugrunde.
Aber das lasse ich nicht zu. Statt von dir ruiniert zu werden, verzichte ich lieber ganz auf mein Vorhaben.
Was dann, Fettwanst, Schwachkopf, Wichtigtuer? Willst du mich zum Aufgeben zwingen und die Erde ihrem Schicksal überlassen, nur um dein lächerliches Ego zu befriedigen? Muss ich die Lady ihren Sohn betreuen lassen, solange sie noch kann? Erkennst du nicht, dass weder du noch der vereinte Wille der Insequenten den unausweichlichen Weltuntergang aufhalten können? Du kannst das Versteck des Sohns der Lady nicht aufspüren. Ohne ihn bist du verloren. Dann ist alles verloren.«
»Dieses Ergebnis haben einige der Insequenten vorausgesehen«, antwortete der Eifrige, und seine Bänder flatterten. »Andere glauben das Gegenteil. Einigkeit herrscht jedoch darüber, wie wichtig die Lady ist. In einem Ausmaß, das du dir nicht einzugestehen wagst, hängt das Schicksal des Lebens auf der Erde ebenso von ihr wie von ihrem Sohn ab.
Trotzdem ist das nicht die eigentliche Streitfrage. Vielmehr geht es um Folgendes: Reichen meine
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