Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
09 - Old Surehand III

09 - Old Surehand III

Titel: 09 - Old Surehand III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
meinen Winnetou. Tut also getrost, was er Euch geboten hat, und nehmt meine Gewehre mit!“
    „Was? Wie? Ihr wollt Euch wehrlos machen?!“
    „Nein. Wehrlos werde ich ganz und gar nicht sein. Geht nur – geht!“
    Sie begaben sich nach den Steinen und duckten sich dort nieder. Winnetou nahm sein Messer in die linke Hand und kroch hinter den Busch, so daß er nicht zu sehen war. Er flüsterte mir, falls ich ja noch bedenklich sein sollte, beruhigend zu:
    „Der Wind ist unser Verbündeter, und wenn der Bär mich je entdecken sollte, hast du den ersten Stich!“
    Mir war gar nicht bange. Eine unbekannte Gefahr kann einen beunruhigen; sobald man sie aber kennt und nahe vor sich sieht, ist diese Unruhe vorüber. Ich zog mein Messer auch mit der linken Hand und huschte an die Felsenkante zurück. Als ich um dieselbe blickte, lag der Bär noch genauso wie vorher. Wahrscheinlich hatte er in der Nacht reichlich gefressen und schlief nun um so besser. Ich wußte, daß dies vor seinem Tod der letzte Schlaf sein werde, hob einen Stein auf, trat um die Ecke und warf nach ihm. Er wurde getroffen und hob den Kopf. Die kleinen, giftigen Augen erfaßten mich, und er stand, ohne sich einmal zu dehnen und zu strecken, mit einer Schnelligkeit auf, in welcher ihn gewiß kein Tiger oder Panther übertroffen hätte. Ich huschte um die Ecke zurück und schritt, den Blick auf sie gerichtet, rückwärts dem Busch zu, hinter welchem der Apache steckte. Jetzt erschien der Bär, und nun galt es freilich das Leben. Wenn ich strauchelte und stürzte, war ich sicher verloren.
    Das Kunststück bestand darin, den Bären an Winnetou vorüber zu locken und ihn dann zum Stehen zu bringen, um dem Apachen einen sichern Stoß zu bieten. Mit jener schwerfällig erscheinenden Leichtigkeit, welche außer dem Bären noch dem Elefanten eigen ist, folgte er mir, langsam und überlegend, wie es schien, in Wahrheit aber sehr schnell und entschlossen. Er sah niemanden als mich und kam mir immer näher. Das wollte ich. Als ich den Busch erreichte, war er nur noch acht Schritte entfernt. Ich retirierte schneller; jetzt war er am Busch. Noch einen Schritt weiter, und wenn ich ihn nun nicht zum Stehen brachte, war es mit mir aus! Den riesigen Tatzen dieses Ungeheuers konnte kein Geschöpf der Erde widerstehen. An Stärke übertraf es sicher weit den Löwen.
    Also entweder – oder! Ich sprang zwei Schritte vor und hob den Arm. Schon war Winnetou hinter dem Busch hervorgetreten und stand mit gezücktem Messer hinter dem Bären. Dieser hielt bei meiner scheinbaren Angriffsbewegung inne und richtete sich auf, kopfshöher noch als ich. In diesem Augenblick stieß der Apache zu, nicht hastig schnell, sondern mit der raschen Bedächtigkeit, welche geboten war, wenn er richtig treffen wollte, nämlich zwischen die zwei bekannten Rippen in das Herz. Die Klinge war bis an das Heft hineingefahren; er ließ sie nicht stecken, sondern zog sie schnell wieder heraus, um nicht ohne Waffe zu sein.
    Das Ungetüm wankte, als ob es stürzen wolle, drehte sich aber ganz unerwartet im Nu um und streckte die Pranken nach Winnetou aus, der kaum Zeit fand, zurückzuspringen. Jetzt war sein Leben in Gefahr, nicht mehr das meinige. Ich stand sofort hinter dem Bären, holte aus und stach zu, sprang aber augenblicklich, das Messer steckenlassend, wieder zurück. Jetzt gab es kein Biegen und kein Wanken; der alte ‚Ephraim‘ stand unbeweglich still; nicht einmal der Kopf veränderte seine Stellung. Das dauerte zehn, zwanzig, dreißig, vierzig Sekunden; dann brach er, wie von einem unsichtbaren Eisenhammer getroffen, genau auf derselben Stelle zusammen und rührte sich nicht mehr.
    „Uff! Das war gut getroffen!“ sagte der Apache, indem er mir die Hand entgegenstreckte. „Der steht gewiß nicht wieder auf!“
    „Ich habe nur nachgeholfen“, antwortete ich. „Das Herz dieses Riesen muß in einem zehnfachen Beutel stecken. Es gehörte Kraft dazu, die Klinge hineinzubringen. Fast hätte er dich gehabt!“
    Da lag nun die Masse Fleisch, gewiß zehn Zentner schwer! Der Kerl verbreitete einen Geruch, der jeden Appetit auf seine Tatzen vergehen ließ. Gewöhnlich riechen die katzenartigen Raubtiere viel penetranter als der Bär; dieser machte eine Ausnahme.
    Jetzt kamen die Gefährten herbei. Wir streckten den Körper des Grizzly aus und konnten nun erst die erschrecklichen Formen desselben anstaunen und daran denken, was aus uns geworden wäre, wenn wir uns auf unsere Klingen nicht hätten

Weitere Kostenlose Bücher