09 - Old Surehand III
Einsehen haben, denn du hast an deiner Haut genug zu tragen. Also nur hinüber bis zum Pferd. Faß an!“
Während sie sich mit der schweren Haut schleppten, gingen wir andern rascher fort. Nun erst, da sie vorüber war, stellte sich die überstandene Gefahr in ihrer ganzen Größe vor mein Auge. Ein solches Wagnis war mit keinem andern als nur mit Winnetou allein zu unternehmen. Wenn man ein solches Ungetüm in dieser Weise erlegen will, kann der geringste Mangel an Geschick und Geistesgegenwart verderblich werden; auf den Apachen aber konnte ich mich verlassen.
Im Lager angekommen, erklärten wir Schahko Matto, daß er nun mit uns reiten solle; er fand das für ganz selbstverständlich. Treskow, Hammerdull, Holbers und Apanatschka sollten bei den Fellen bleiben. Der letzte hätte sich uns sehr gern angeschlossen, wußte aber gar wohl, warum wir ihn nicht mitnahmen; auf ihn konnten wir uns mehr verlassen als auf die andern drei zusammen.
Wir ritten also jetzt talauf, an der Stelle vorüber, wo wir die Begegnung mit Old Surehand gehabt hatten. Winnetou hatte uns außer der Entfernung, welche wir zurücklegen wollten, keine Andeutung über das Abenteuer gegeben, welchem wir entgegengingen.
Das Tal war außerordentlich lang und wurde, je höher wir in demselben aufwärts kamen, um so schmaler. Es begegneten uns zuweilen Büffel, teils einzeln, teils in Familien, aber nicht in größeren Trupps, weil die Zeit der eigentlichen Herbstwanderung noch nicht da war. Diese Tiere waren so wenig menschenscheu, daß sie nicht etwa vor uns flohen, sondern nur zur Seite wichen. Wir schlossen daraus, daß sie während des Sommers von keinem Jäger gestört worden waren. Es gab sogar alte Stiere, welche nicht einmal zur Seite gingen, sondern uns verwundert anglotzten und höchstens herausfordernd den großen Kopf mit den starken Hörnern senkten, bis wir vorüber waren. Natürlich regte sich die Jagdlust in uns allen; wir durften ihr aber nicht folgen, weil wir keine Zeit dazu hatten und von den Bären mehr als genug Fleisch besaßen.
Der Westmann tötet eben nie ein Tier, wenn er dessen Fleisch nicht braucht. Auch ist es nicht wahr, daß die Indianer zur Zeit der beiden Büffelwanderungen große, ganz unnötige Metzeleien unter den Bisons angestellt hätten. Der Rote wußte nur zu gut, daß er ohne diese Herden nicht leben könne, sondern zugrunde gehen müsse, und hütete sich infolgedessen stets, mehr Fleisch zu machen, als er brauchte. Wenn der Buffalo jetzt ausgestorben ist, so trägt nur der Weiße allein die Schuld daran. Es haben sich da zum Beispiel ganze Gesellschaften von ‚Sauschützen‘ zusammengetan und Bahnzüge gemietet, welche da halten mußten, wo man in der Prärie eine Büffelherde traf. Von dem Zug aus wurde dann aus reiner Mordlust unter die Tiere hineingeschossen, bis man die Kracherei satt bekam. Dann fuhr man weiter, um bei der nächsten Herde wieder anzuhalten. Ob die getroffenen Büffel tot oder nur verwundet waren, danach wurde nicht gefragt. Die angeschossenen Tiere schleppten sich fort, so weit sie konnten, und brachen dann zusammen, um von den Geiern und Wölfen zerrissen zu werden. So sind Tausende und aber Tausende von Bisons nur aus Blutgier niedergepafft oder todkrank geschossen worden, und Millionen von Zentnern Fleisch verfaulten, ohne daß ein Mensch den geringsten Nutzen davon hatte. Ich selbst bin nicht selten an Stellen gekommen, wo solche Massaker stattgefunden hatten, und habe die bleichenden Knochen in großen Haufen beisammenliegen sehen. Nicht einmal die Felle und Hörner waren mitgenommen worden.
Beim Anblick solcher Büffelleichenfelder mußte sich das Herz jedes echten Westmannes gradezu umdrehen, und was nun erst die Indianer dabei dachten und dazu sagten, das läßt sich wohl unschwer denken! Sie waren selbstverständlich der Ansicht, daß die Regierung diese niederträchtigen Metzeleien nicht nur dulde, sondern sogar begünstige, um die Ausrottung der nun dem Hunger preisgegebenen roten Rasse zu beschleunigen. Und wenn der Redman sich gegen diese Sauschießereien zu wehren versuchte, wurde er ebenso schonungslos wie die Büffel niedergeknallt.
Wo sind nun die Bisons und wo die stolzen, ritterlichen roten und weißen Jäger hin? Ich behaupte, daß es nicht einen, aber auch nicht einen einzigen jener Westmänner mehr gibt, von deren Taten und Erlebnissen an jedem Lagerfeuer erzählt wurde. Ihre Gebeine sind zerstreut, und wenn die Hacke oder der Pflug jetzt einen halb
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