09 - Old Surehand III
sich an den gefangenen Häuptling der Osagen, mit dem er bis zu diesem Augenblick noch kein Wort gesprochen hatte:
„Schahko Matto mag meine Frage beantworten: Ihr habt vier Farmen der Bleichgesichter überfallen wollen?“
Der Osage antwortete nicht, und so wiederholte Winnetou die Frage. Als er auch hierauf keine Antwort bekam, sagte er:
„Der Häuptling der Osagen hat solche Angst vor dem Häuptling der Apachen, daß ihm die Worte im Mund steckenbleiben.“
Er erreichte den Zweck, den diese Worte hatten, denn Schahko Matto fuhr ihn zornig an:
„Ich, der oberste Häuptling der Osagen, habe sieben graue Bären mit dieser meiner Hand getötet; mein Name sagte es jedem, der es hören will. Wie kann ich mich da vor einem Coyoten fürchten, der zum Volk der Pimo gehört?“
Das Wort Pimo war hier als Schimpfwort für Winnetou gebraucht; er blieb trotzdem ruhig und fuhr fort:
„Schahko Matto wird nicht zugeben, daß er beabsichtigt hat, die Farmen zu überfallen?“
„Nein. Ich gebe es nicht zu; es ist nicht wahr.“
„Wir wissen dennoch, daß es so ist, denn wir haben hinter euch gelegen, ehe du mit dem Präriehuhn kamst, und denn jedes Wort vernommen. Deine Lanze ist auf dem Ast steckengeblieben. Sie soll denen, die sie später sehen, verkünden, wie dumm ein Mensch sein kann, der sich einen Häuptling nennt. Winnetou hat noch nie gehört, daß ein Mensch, der sich verstecken will, sein Versteck mit einem Zeichen versieht, welches jedem Menschen sagt, daß sich jemand hier verborgen hat. Du brauchst den Überfall der Farmen nicht einzugestehen, denn er wird nicht stattfinden können. Ich bin gestern abend fortgeritten und habe die Bleichgesichter gewarnt. Sie würden die Hunde der Osagen, wenn sie ja noch kämen, mit Peitschen erschlagen. Ich habe auch gesagt, daß Old Wabble dein Spion gewesen ist. Wenn er sich noch einmal sehen läßt, bekommt er keine Kugel, sondern einen Strick um den Hals, wie es sich für einen Spion geziemt.“
Der Osage antwortete nicht, doch sah man es ihm an, wie grimmig er darüber war, daß Winnetou seine Pläne verraten hatte. Der alte König der Cowboys aber rief:
„Ich ein Spion? Das ist die größte Lüge, die es gibt! Wenn Winnetou mich als Spion bezeichnet hat, so ist er der größte Schuft, den man auf Erden finden kann!“
Der Geschmähte antwortete nicht. Mir aber, dem Freunde des unvergleichlichen Apachen, war diese Frechheit denn doch zu groß, als daß ich sie ungestraft hätte hingehen lassen können. Dieser Kerl verdiente Hiebe, solche Hiebe, daß ihm die Haut zerplatzen mußte! Ich gab aber Holbers einen andern Befehl:
„Pitt, schnürt ihm die Fesseln so fest um die Gelenke, daß er schreien muß, und macht sie nicht eher wieder locker, als bis er um Gnade wimmert!“
Pitt Holbers wollte gehorchen, doch Winnetou, der Edle, verbot es ihm mit den Worten:
„Es soll nicht geschehen! Dieser Mann kann mich nicht beleidigen. Seine Tage sind ihm nur noch spärlich zugezählt; er steht der Grube, die ihn verschlingen wird, viel näher, als er denkt, und einen Sterbenden soll niemand quälen!“
„Ah!“ lachte der Alte höhnisch. „Jetzt fängt sogar der Rote an, zu predigen! Und wenn die Grube sich jetzt hier vor mir öffnete, ich würde sie nicht fürchten, sondern lachen. Das Leben ist nichts; der Tod ist nichts, und euer Jenseits ist der größte Schwindel, von klugen Pfaffen für Kinder und für alte Weiber ausgedacht! Ich habe es euch schon einmal gesagt, und ich denke, daß ihr euch meiner Worte noch erinnern werdet: Ich bin ins Leben hereingehinkt, ohne um Erlaubnis gefragt zu werden, und der Teufel soll mich holen, wenn ich nun meinerseits beim Hinaushinken irgendwen um Erlaubnis frage! Ich brauche dazu weder Religion noch Gott!“
Ja, er hatte diese Worte, ganz dieselben Worte schon einmal gesagt; ich erinnerte mich genau an sie. Und wie es mir damals vor ihm förmlich gegraut hatte, so war es mir auch jetzt, wo ich sie wieder hören mußte, als ob mir mit einem Stück Eis über den Rücken gestrichen würde. Konnte solche Lästerung ungeahndet bleiben? Nein, und nochmals nein! Ich wendete mich ab und trat zu Dick Hammerdull, um ihm so leise, daß die Gefangenen es nicht hören konnten, mitzuteilen, daß er jetzt mit mir nach dem Wara-tu reiten solle. Er war sehr erfreut darüber, da er meine Aufforderung als ein Vertrauenszeugnis betrachtete. Wir versahen uns für einen Tag mit Fleisch und stiegen dann auf unsere Tiere, um, ohne daß wir es
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