09 - Old Surehand III
möchte ich, falls der Ausdruck gestattet ist, sagen, daß das eine einsilbige Gesprächigkeit war. Er zeigte sich bedrückt. Es war ihm doch nicht gleichgültig, daß Tibo taka, den er für seinen Vater gehalten hatte, eines solchen Todes hatte sterben müssen. Dieses Bedrücktsein machte ihm alle Ehre!
Wir befanden uns jetzt aller Vermutung nach am Anfang des Endes, und unser Ritt wurde, je weiter wir kamen, ein desto gefährlicherer. Es war anzunehmen, daß der ‚General‘ uns möglichst viele Fallen gelegt habe. Es gab Orte genug, an denen wir vorüber mußten, welche zu Verstecken geeignet waren, aus denen auf uns geschossen werden konnte; aber es geschah nichts Derartiges. Entweder dachte er nicht, daß wir heut kämen, oder er hatte sich den Streich gegen uns bis oben an der Foam-Kaskade oder am Devils-Head aufgespart.
Um kurz zu sein, will ich nur bemerken, daß wir gegen Abend in der Nähe der Foam-Kaskade ankamen. Man denke sich den berühmten Staubbach des Lauterbrunner Tales in der Schweiz, nur den Felsen nicht ganz so hoch und den herabstürzenden, sich in Staub auflösenden Bach von dreifacher Stärke, so hat man ein Bild von der Foam-Kaskade im Park von San Louis. Hoch oben die Felsen mit Wald gekrönt und auch unten der tiefe Grund fast ganz mit Fels und Wald bedeckt. Es war ein Chaos von Steingetrümmer, von einem schier undurchdringlichen Wipfeldach überwölbt. Sobald wir uns unter diesem Dach befanden, wurde es tief dämmerdunkel um uns her.
„Wo geht der Weg von hier nach dem Devils-Head?“ fragte ich Kolma Putschi, „dort haben wir die Utahs zu suchen.“
„Hier links durch den Wald und dann die Felsen sehr steil hinauf“, antwortete sie. „Bereiten euch die Utahs Sorge?“
„Nein! Doch müssen wir natürlich wissen, wo sie sind.“
„Ich gehöre noch heute zu ihnen und werde mit ihnen sprechen. Wenn ich bei euch bin, habt ihr nichts von ihnen zu fürchten.“
Wir hatten ihr natürlich unser Zusammentreffen mit Tusahga Saritsch und seinen Kriegern erzählt.
„Wir fürchten uns, wie gesagt, nicht vor ihnen, und ich möchte mich doch lieber nicht auf Eure Vermittlung verlassen“, sagte ich.
„Warum nicht?“
„Sie haben schon selbst eine Rache auf uns und hierzu dem ‚General‘ ihre Hilfe gegen uns versprochen. Das sind zwei Instanzen gegen uns, während Ihr nur eine, nämlich Euern Einfluß, für uns aufbieten könnt. Im besten Fall gibt es eine lange Verhandlung, während welcher der ‚General‘ uns vielleicht gar entkommt. Nein, nein; wir verlassen uns lieber ganz auf uns selbst!“
„So kommt! Ich kenne den Wald und jeden einzelnen Felsen und werde euch führen.“
Sie ritt voran, und wir folgten ihr im Indianermarsch wohl eine halbe Stunde lang, bis es so dunkel wurde, daß wir absteigen und die Pferde führen mußten. Draußen war es wohl erst Dämmerung, im tiefen Wald hier aber schon vollständig Nacht. So ging es weiter und immer weiter, eine schier endlose Zeit, wie uns deuchte. Da hörten wir vor uns das Wiehern eines Pferdes und hielten an.
Wem gehörte dieses Pferd? Das mußten wir wissen. Die Gefährten mußten stehenbleiben, und wir, nämlich Winnetou und ich, wie gewöhnlich, gingen weiter. Es wurde schon nach kurzer Zeit vor uns heller; der Wald hörte auf, und nur wenige Schritte davon öffnete sich die Felsenwand, um einen schmalen Pfad sehen zu lassen, welcher sehr steil emporführte. Das war jedenfalls der Weg nach dem Devils-Head. Auf dem lichten Raum zwischen ihm und dem Wald lagen die uns nur zu wohlbekannten Capote-Utahs als Wächter vor dem Felsensteg. Wenn wir nach dem Devils-Head wollten, mußten wir hierherkommen; das wußten sie, und darum hatten sie sich da gelagert, um uns abzufangen. Diese kurzsichtigen Menschen! Sie konnten sich doch denken, daß wir ihnen nicht schnurstracks in die Hände reiten, sondern rekognoszieren würden!
Der ‚General‘ war nicht bei ihnen; dafür aber sahen wir jemand, der nicht zu ihnen gehörte, nämlich unsern Old Surehand! Es war also doch eingetroffen, was wir beide uns gedacht und vorhergesagt hatten: sie hatten ihn wieder festgenommen! Warum hatte er uns verlassen, anstatt nur die kurze Nacht noch zu warten! Ich war in diesem Augenblick zornig auf ihn.
„Dort steht er nun am Baum, festgebunden und ein Gefangener wie vorher!“ sagte ich. „Mein Bruder mag auf mich warten!“
„Wohin will Old Shatterhand gehen?“ fragte er.
„Ich will die Gefährten holen.“
„Ihn zu befreien?“
„Ja.
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