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09 - Old Surehand III

09 - Old Surehand III

Titel: 09 - Old Surehand III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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auch mich zu hören?“
    „Sprich!“ forderte ich ihn auf.
    „Ich habe Worte vernommen, welche ich nicht verstehen kann, weil sie mir fremd sind; um so deutlicher aber hörte ich, daß Old Shatterhand für mich gewesen ist, während das andere Bleichgesicht gegen mich war. Da Winnetou, der Häuptling der Apachen, zu dem Streit geschwiegen hat, denke ich, daß er seinem Freund und Bruder recht gibt. Beide sind zwar die Feinde der Osagen, aber alle roten und weißen Männer wissen, wie gerecht diese beiden berühmten Krieger denken und wie gerecht sie handeln, und so fordere ich sie auf, auch heut gerecht zu sein!“
    Weil er jetzt eine Pause eintreten ließ und mich ansah, als ob er eine Antwort von mir erwarte, erklärte ich ihm:
    „Der Häuptling der Osagen täuscht sich nicht in uns; er hat keine Ungerechtigkeit von uns zu erwarten. Ich mache ihn vor allen Dingen darauf aufmerksam, daß wir nicht Feinde der Osagen sind. Wir wünschen, mit allen roten und allen weißen Menschen in Frieden zu leben; wenn uns aber jemand in den Weg tritt, uns wohl gar nach dem Leben trachtet, sollen wir uns da nicht wehren? Und wenn wir dies tun und ihn besiegen, hat dieser Mann dann das Recht, zu behaupten, daß wir seine Feinde seien?“
    „Mit diesem Mann hat Old Shatterhand wahrscheinlich mich gemeint. Wer aber ist es, der mit Recht von sich sagen kann, er sei angegriffen worden; Schahko Matto, der Häuptling der Osagen, möchte fragen, wozu die Bleichgesichter Richter und Gerichte haben?“
    „Kurz gesagt, um Recht zu sprechen, um Gerechtigkeit zu üben?“
    „Wird dieses Recht gesprochen, diese Gerechtigkeit geübt?“
    „Ja.“
    „Glaubt Old Shatterhand, was er da sagt?“
    „Ja. Zwar sind die Richter auch nur Menschen, welche sich irren können, und darum –“
    „Uff, uff!“ fiel er mir schnell in die Rede – „darum irren sich diese Richter stets dann, wenn es sich darum handelt, gegen die roten Männer gerecht zu sein! Old Shatterhand und Winnetou haben an tausend Lagerfeuern gesessen und zehnmal tausendmal die Klagen gehört, welche der rote gegen den weißen Mann zu erheben hat; ich will weder eine einzige dieser Klagen wiederholen, noch ihnen eine neue hinzufügen; aber ich bin der Häuptling meines Stammes und darf also davon sprechen, was das Volk der Osagen gelitten und auch jetzt wieder von neuem erfahren hat. Wie oft schon sind wir von den Bleichgesichtern betrogen worden, ohne einen Richter zu finden, der sich unsers guten Rechts erbarmte! Vor jetzt kaum einem Mond ist wieder ein großer Betrug an uns begangen worden, und als wir Gerechtigkeit verlangten, wurden wir verlacht. Was tut der weiße Mann, wenn ihm ein Richter die Hilfe versagt? Er wendet sich an ein höheres Gericht. Und wenn ihn auch dieses im Stich läßt, so macht er seinen eigenen Richter, indem er seinen Gegner lyncht oder Vereinigungen von Leuten gründet, Komitees genannt, welche heimlich und gegen diese Gesetze Hilfe schaffen, wenn öffentlich und durch die Gesetze keine zu finden ist. Warum soll nicht auch der rote Mann tun dürfen, was der weiße tut? Ihr sagt Lynch, wir sagen Rache; ihr sagt Komitee, wir sagen Beratung der Alten; es ist ganz dasselbe. Aber wenn ihr euch dann selbst geholfen habt, so nennt ihr das erzwungene Gerechtigkeit, und wenn wir uns selbst geholfen haben, so wird es von euch Raub und Plünderung genannt. Die richtige Wahrheit lautet folgendermaßen: Der Weiße ist der Ehrenmann, welcher den Roten unaufhörlich betrügt und bestiehlt, und der Rote ist der Dieb, der Räuber, welchem von dem Weißen stets das Fell über die Ohren gezogen wird. Dabei sprecht ihr ohne Unterlaß von Glaube und von Frömmigkeit, von Liebe und Güte! Man hat uns kürzlich wieder um das Fleisch, das Pulver und um vieles andere betrogen, was wir zu bekommen hatten. Als wir zum Agenten kamen, ihn um seine Hilfe zu bitten, fanden wir nur höhnisch lachende Gesichter und drohend auf uns gerichtete Flintenläufe. Da holten wir uns Fleisch, Pulver und Blei, wo wir es fanden, denn wir brauchen es, wir können ohne es nicht leben. Man verfolgte uns und tötete viele unserer Krieger. Wenn wir nun jetzt ausgezogen sind, den Tod dieser Krieger zu rächen, wer ist schuld daran? Wer ist der Betrogene und wer der Betrüger? Wer ist der Beraubte und wer der Räuber? Wer ist der Angegriffene und wer der Feind? Old Shatterhand mag mir auf diese Fragen die richtige Antwort geben!“
    Er richtete den Blick erwartungsvoll auf mich. Was sollte und

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