09 - Old Surehand III
ungefährliche Schußwunde, welche er bei dieser Gelegenheit in den Oberschenkel erhalten hatte. Wer von den Tramps gehört oder gar sie persönlich kennengelernt hat, der wird es begreiflich finden, daß wir gar keine Lust hatten, solchen zügel- und gewissenlosen Menschen zu begegnen, vor denen jeder brave Westmann sich wie vor Ungeziefer hütet, weil er es für eine Schande hält, seine Kraft mit der ihrigen zu messen. Wie der geübteste und eleganteste Florettfechter unmöglich gegen die Düngergabel eines rüden Stallknechtes aufkommen kann, so hütet sich jeder ehrliche Prärieläufer, mit diesen von der Gesellschaft für immer Ausgestoßenen in Berührung zu kommen, nicht etwa aus Furcht oder gar Angst, sondern aus Abscheu vor der Gemeinheit ihres Auftretens.
So auch wir. Wir schwenkten kurzentschlossen nach Süden ab und gingen schon gegen Abend über den Nordarm des Salmon-River, an dessen rechtem Ufer wir für die Nacht Lager machten.
Hier war es, wo Apanatschka sein bisheriges Schweigen brach und mir erzählte, was er nach unserer Trennung im Llano estacado erlebt hatte. Es war nichts besonders Erwähnenswertes. Sein Ritt mit Old Surehand nach Fort Terrel war, wie bereits erwähnt, ohne Erfolg gewesen, da sie den dort gesuchten Dan Etters nicht gefunden hatten; es war dort überhaupt kein Mensch gewesen, der diesen Namen einmal gehört oder den Träger desselben gar persönlich gesehen hatte. Als Apanatschka dies erzählte, sagte ich:
„So ist meine damalige Voraussage also eingetroffen. Ich traute dem sogenannten ‚General‘ nicht; es kam mir gleich so vor, als ob er Old Surehand über diesen Etters täuschen wolle. Er hatte irgendeine bestimmte Absicht dabei, welche ich leider nicht erraten konnte. Es schien mir, als ob er das Verhältnis Old Surehands zu Etters genauer kenne, als er merken lassen wollte; ich machte unsern Freund darauf aufmerksam; er wollte es aber nicht glauben. Hat er mit meinem roten Bruder Apanatschka vertraulich darüber gesprochen?“
„Nein.“
„Er hat gar keine, keine einzige Äußerung darüber fallenlassen, warum er so eifrig nach diesem Etters suchte?“
„Keine.“
„Und dann habt ihr euch am Rio Pecos getrennt und du bist zu deinem Stamm heimgekehrt?“
„Ja; ich bin nach dem Kaam-kulano geritten.“
„Wo deine Mutter dich gewiß mit Freude empfing?“
„Sie erkannte mich im ersten Augenblick und nahm mich liebreich auf; dann aber ging ihr Geist schnell wieder von ihr fort“, antwortete er, schnell trüb gestimmt, wie ich bemerkte.
Dennoch fragte ich, ohne auf diese seine Stimmung Rücksicht zu nehmen:
„Erinnerst du dich noch der Worte, die ich aus ihrem Mund gehört hatte?“
„Ich kenne sie. Sie sagt sie ja stets.“
„Und glaubst du noch heut so wie damals, daß diese Worte zur indianischen Medizin gehören?“
„Ja.“
„Ich habe es nie geglaubt und glaube es auch jetzt noch nicht. Es wohnen in ihrem Geist Bilder von Personen und Ereignisse, welche nicht deutlich werden können. Hast du denn gar nicht einmal einen Augenblick bei ihr bemerkt, an welchem diese Bilder heller wurden?“
„Nie. Ich bin nicht oft mit ihr beisammen gewesen, denn ich mußte mich nach meiner Heimkehr bald von ihr trennen.“
„Warum?“
„Die Krieger der Naiini, und besonders Vupa Umugi, der Häuptling derselben, konnten es mir nicht verzeihen, daß mein weißer Bruder Shatterhand mich für würdig erachtet hatte, die Pfeife der Freundschaft und der Treue mit mir zu rauchen. Sie machten mir das Leben im ‚Tal der Hasen‘ schwer, und so ging ich fort.“
„Wohin?“
„Zu dem Komantschenstamm der Kaneans.“
„Wurde mein Bruder sofort von ihnen aufgenommen?“
„Uff! Wenn es nicht Old Shatterhand wäre, der mich so fragt, so würde ich lachen! Ich war zwar der jüngste Häuptling der Naiini gewesen, aber es hatte keinen Krieger gegeben, der mich besiegen konnte. Darum sprach keine einzige Stimme gegen mich, als die Männer der Kaneans über meine Aufnahme berieten. Jetzt bin ich der oberste Häuptling dieses Stammes.“
„Das höre ich gern; das macht mir Freude, denn ich liebe dich. Konntest du deine Mutter nicht von den Naiini weg und zu dir nehmen?“
„Ich wollte es tun, aber der Mann, dessen Squaw sie ist, gab es nicht zu.“
„Der Medizinmann? Du nennst ihn nicht deinen Vater, sondern der Mann, dessen Squaw sie ist. Es ist mir schon damals aufgefallen, daß du ihn nicht lieben kannst.“
„Ich konnte ihm mein Herz nicht geben, jetzt
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