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09 - Vor dem Tod sind alle gleich

09 - Vor dem Tod sind alle gleich

Titel: 09 - Vor dem Tod sind alle gleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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verdrängen, ohne daß ich meine Stimme dagegen erhebe.«
    »Ich verstehe deine Gefühle, Coba«, versicherte ihm Fidelma. »Ich teile sie auch. Aber als Friedensrichter deines Ortes mußt du wissen, daß es nur einen Weg gibt, Dinge in Frage zu stellen und zu ändern, nämlich den Weg des Rechts.«
    Coba starrte sie einen Moment aus seinen tiefliegenden dunklen Augen an.
    »Euer großer christlicher Lehrer, Paulus von Tarsus, hat einmal gesagt, das Gesetz sei der Schulmeister. Was glaubst du, was er wohl damit gemeint hat?«
    »Und welches Gesetz hat er gemeint?« fuhr Äbtissin Fainder dazwischen. »Nicht das heidnische Gesetz, sondern das Gesetz des Glaubens.«
    Coba ignorierte sie und sprach direkt zu Fidelma:
    »Die kennzeichnendste Eigenart unseres Gesetzes ist das Verfahren, nach dem Recht und Unrecht geschützt beziehungsweise wiedergutgemacht werden. Die offensichtlichste Auswirkung eines jeden Verbrechens ist die Schädigung einer anderen Person und die natürliche Folge, die sich daraus für den Täter ergibt. In jeder gut geordneten Gesellschaft herrscht der Grundsatz, daß der Schuldige seinem Opfer den zugefügten Schaden ersetzen muß.«
    »So lautet das Gesetz der Brehons«, stimmte ihm Fidelma zu. »Du hast anscheinend diesen Grundsatz gut erfaßt.«
    Coba nickte zerstreut. »In den fünf Königreichen haben wir ein System von Sühnepreisen, nach denen, entsprechend der Art der Schädigung und dem Rang der geschädigten Person, die Entschädigung und die Geldstrafen festgelegt werden. Die Absicht der Brehons war es, das Gesetz zum Schulmeister zu machen, der dem Übeltäter beibringt, daß der Schaden, den man ihm nun zufügt, dem Schaden entspricht, den er der geschädigten Person zugefügt hat.«
    Wieder unterbrach ihn Äbtissin Fainder.
    »Ich glaube an die römische Art der strafenden Wiedergutmachung, die da sagt: ›Auge um Auge, Zahn um Zahn.‹ Das ist die Abschreckung und entspricht dem natürlichen Sinn des Menschen. Die natürliche Vergeltung für Mord besteht darin, auch dem Übeltäter das Leben zu nehmen. Tun das nicht schon streitende Kinder? Einer schlägt den anderen, und als Reaktion schlägt der zurück.«
    Mit einer Handbewegung fegte der Fürst dieses Argument beiseite.
    »Das ist ein System, das auf Furcht beruht. Gewaltsame Vergeltung für ein Verbrechen erzeugt wilden Haß, der die Täter antreibt, aus Rache noch mehr Gewalttaten zu begehen, und das führt zu neuer Vergeltung und vermehrter Furcht und Gewalt.«
    Äbtissin Fainder errötete vor Zorn über diesen Zweifel an ihrer Autorität.
    »Wir sind aus der ursprünglichen Barbarei herausgekommen. Andere ziehen es vor, darin zu verharren. Wenn wir Verbrechen verhindern wollen, dann müssen wir Mittel anwenden, die einfache, barbarische Gemüter verstehen. Wer die Rute schont, verzieht das Kind. Das trifft auch auf Erwachsene zu. Wenn sie erst einmal begriffen haben, daß Übeltaten mit dem Tode vergolten werden, dann sündigen sie nicht mehr.«
    Fidelma fand es an der Zeit, in den hitzigen Streit einzugreifen.
    »Eine solche Erörterung ist zwar sehr interessant, bringt uns aber nicht weiter. Ich bin gekommen, um dir ein paar Fragen zu stellen, Äbtissin Fainder. Mit deiner Erlaubnis würde ich Coba bitten, sich zurückzuziehen, damit wir die Sache unter uns besprechen können.«
    Coba war nicht gekränkt.
    »Mein Anliegen an die Äbtissin ist erledigt. Ich muß noch mit deiner rechtaire sprechen, Äbtissin Fainder.« Er wandte sich um und lächelte Fidelma kurz zu. »Ich wünsche dir Glück, Schwester Fidelma. Wenn du jemanden brauchst, der dich bei deinem Einspruch gegen den Vollzug dieser barbarischen Bußgesetze unterstützt, dann stehe ich dir zur Verfügung. Ganz bestimmt.«
    Fidelma neigte dankend den Kopf.
    Als Coba gegangen war, kam Fidelma sofort zur Sache.
    »Du hast mir nicht gesagt, daß du es warst, die die Leiche des ermordeten Mädchens gefunden hat.« Äbtissin Fainder verzog keine Miene.
    »Du hast nicht danach gefragt«, antwortete sie ruhig. »Außerdem stimmt es nicht ganz.«
    »Dann sag mir, wie es wirklich war.«
    Äbtissin Fainder lehnte sich nachdenklich zurück und legte die Hände in ihrer gewohnten Haltung auf den Tisch.
    »Wenn ich mich recht erinnere, kehrte ich in jener Nacht in die Abtei zurück…«
    »Eine merkwürdige Zeit für eine Äbtissin zur Rückkehr in ihre Abtei. Es war nach Mitternacht, hat man mir berichtet.«
    Fainder zuckte die Achseln. »Ich kenne keine Regel, die einer

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