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09 - Vor dem Tod sind alle gleich

09 - Vor dem Tod sind alle gleich

Titel: 09 - Vor dem Tod sind alle gleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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Äbtissin vorschreibt, ihre Abtei nicht zu verlassen.«
    »Wo warst du gewesen?«
    Einen Moment verengten sich die Augen der Äbtissin vor Empörung. Dann entspannte sie sich und lächelte erneut.
    »Das geht dich nichts an«, sagte sie ohne Groll. »Es genügt die Feststellung, daß das nichts mit dieser Angelegenheit zu tun hatte.«
    Fidelma wußte, daß sie ohne nähere Kenntnis hier nicht weiterkam.
    »Wie ich hörte, warst du zu Pferde.«
    »Ich kam auf dem Uferweg zu den Toren der Abtei gegenüber dem Kai am Fluß zurück. Unsere Stallungen sind gleich dahinter.«
    »Ich kenne den Ort«, versicherte ihr Fidelma.
    »Ich ritt den Weg entlang…«
    »Schien der Mond?«
    Die Äbtissin überlegte einen Moment. »Ich glaube nicht. Nein, es war eine dunkle Nacht, der Himmel bewölkt. Ich wollte ins Tor einbiegen, als etwas meine Aufmerksamkeit erregte.«
    »Was war das?« drängte sie Fidelma, als sie schwieg.
    »Nach meiner Erinnerung war es ein Laut in der Nähe eines Haufens von Ballen und Kisten, der aus einem an jenem Tag angekommenen Schiff ausgeladen worden war.«
    »Ein Laut?«
    »So genau weiß ich es nicht. Aber etwas weckte meine Aufmerksamkeit, und ich lenkte mein Pferd näher heran. Da sah ich die zusammengekrümmte Leiche.«
    »Es war aber bewölkt und dunkel. Du hattest keine Fackel. Wie konntest du unter diesen Umständen erkennen, daß es eine Leiche war?«
    Äbtissin Fainder dachte nach.
    »Das weiß ich nicht mehr. Von irgendwoher muß Licht gekommen sein. Ich weiß nur noch, daß ich eine liegende Gestalt sah und mir klar war, daß es sich um eine Leiche handelte. Vielleicht brach der Mond einen Moment durch die Wolken. Ich weiß es nicht mehr.«
    »Was dann?«
    »Ich hielt kurz an, und da kam Mel, der Hauptmann der Wache, aus der Dunkelheit. Ich erkannte ihn nicht sofort und rief ihn an, wer er sei. Als er sich als Mel zu erkennen gab, bat ich ihn, die Leiche zu untersuchen. Er tat es und erklärte mir, es sei ein junges Mädchen und es sei tot. Ich wies ihn an, die Leiche in die Abtei zu bringen, und ging hinein, um Bruder Miach, unseren Arzt, zu wecken.«
    »Ich verstehe. Und Mel trug die Leiche hinein?«
    »Ja.«
    »Er allein?«
    »Nein, Mel und einer seiner Kameraden.«
    »Weißt du dessen Namen?«
    »Er hieß Daig«, antwortete sie kurz.
    »Als die Leiche aufgebahrt wurde, hast du sie wohl als eine eurer jungen Novizinnen erkannt?«
    »Keineswegs. Ich hatte sie noch nie gesehen. Es war das Mädchen, das man auch hereingebracht hatte, Fial mit Namen, das den Überfall durch deinen angelsächsischen Freund beobachtet hatte; sie identifizierte die Tote«, erklärte die Äbtissin giftig.
    »Vor jener Nacht hattest du keins der beiden Mädchen je gesehen. Ist das nicht eigenartig?«
    »Daran ist nichts Ungewöhnliches, denn wie ich schon sagte, ich begrüße nicht alle Novizinnen.«
    »Du hörtest also von Fial, daß sie anscheinend die Vergewaltigung und Ermordung ihrer Gefährtin beobachtet hatte?«
    »Inzwischen war Schwester Étromma geholt worden, und sie führte uns dahin, wo der Angelsachse so tat, als ob er schliefe. Er wurde aus dem Bett gezogen, hatte Blut an seiner Kleidung, und wir fanden bei ihm ein abgerissenes Stück der Kutte des toten Mädchens.« Fidelma rieb sich die Nase mit ihrem schlanken Zeigefinger. Sie hatte die Brauen nachdenklich zusammengezogen.
    »Kam dir das nicht merkwürdig vor?«
    »Wieso?« fragte die Äbtissin unwirsch.
    »Daß bei einem solchen Verbrechen der Täter dem Opfer ein Stück Kleidung abriß und es als belastendes Beweismaterial mit in sein Bett nahm? Und daß er nicht versuchte, seine eigene Kleidung vom Blut zu reinigen – ist das nicht seltsam?«
    Äbtissin Fainder zuckte die Achseln. »Es ist nicht meine Aufgabe, den Regungen eines krankhaften Gemüts nachzugehen. Manche Menschen benehmen sich sonderbar, das mußt du doch wissen. Eine Erklärung bestünde darin, daß dein angelsächsischer Freund keine Zeit dazu fand, weil er gemerkt hatte, daß man Alarm schlug. Er hoffte einfach, er würde nicht auffallen.«
    »Das könnte wohl sein, aber ich bin nicht der Meinung, daß es nicht unsere Aufgabe ist, den Regungen krankhafter Gemüter nachzugehen. Sind wir nicht dazu da, Mutter Äbtissin, durch unser Verständnis den Kranken und Leidenden Trost und Hilfe zu spenden?«
    »Wir sind nicht dazu da, Entschuldigungen für die Übelgesinnten zu suchen, Schwester. ›Denn was der Mensch sät, das wird er ernten.‹ Du kennst doch das Wort aus dem Brief

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