0902 - Das Erbe der Hölle
sein. Aus Dämonen werden Menschen, aus Menschen werden Dämonen - dieses Phänomen hat es noch bei jedem Äonenwechsel gegeben. Aber mich wird es hoffentlich nicht treffen.«
»Nein. Übrigens, dieses Phänomen hat mit der engen Verwandtschaft von Dämonen und Menschen zu tun und den besonderen Kräften, die bei jedem Äonenwechsel wirken. Mit diesen Kräften versuchen die Mächte, die für das Gleichgewicht von Gut und Böse zuständig sind, den nötigen Ausgleich zu schaffen, denn Gut und Böse verschieben sich ständig nach einer Seite hin.«
»Eine Art Neujustierung also«, stellte Asmodis fest. »Überwiegt das Böse, müssen mehr Dämonen zu Menschen werden, überwiegt das Gute, werden mehr Menschen zu Dämonen. Du redest vom Wächter der Schicksalswaage, nicht wahr? Aber warum muss das Gleichgewicht zwischen Gut und Böse nur zwischen Dämonen und Menschen hergestellt werden?«
LUZIFER lachte leise. »In diesem Teil der Schöpfung ist das eben so, weil Menschen und die Dämonen der Schwarzen Familie die alles überragenden Pole bilden. Ich werde dir nun ein weiteres Geheimnis verraten, Asmodis. Nachdem ich die Hölle geschaffen und die Schwarze Familie etabliert hatte, drohte sich das Gleichgewicht der Kräfte so stark in Richtung des Bösen zu verschieben, dass sich die verderbte Sechsheit genötigt sah, etwas dagegen zu unternehmen. Sie rief den Wächter der Schicksalswaage ins Leben, der mit zahlreichen Helfern dafür zu sorgen hat, dass die Hölle nicht die Oberhand gewinnt. Aber auch das Gute auf Menschenseite, das starke Kämpfer besitzt, darf nicht dauerhaft gewinnen. Wie groß der Interpretationsspielraum dafür ist, weiß allerdings nicht einmal ich. Es kann also alles passieren. Und nun, Asmodis, geh. Verlasse die Hölle und suche JABOTH. All meine guten Wünsche sind mit dir. Versagst du, werden wir alle aus der Existenz gefegt.«
Asmodis erhob sich. »Noch eines, mein KAISER. Der Wächter der Schicksalswaage darf doch keinerlei Interesse daran haben, dass die Hölle stirbt. Damit wäre das so gefürchtete Ungleichgewicht der Kräfte da.«
»Im Moment sicher. Ich befürchte aber, dass dann alleine die Menschen für den nötigen Ausgleich sorgen werden.«
Mit diesen rätselhaften Worten im Ohr durchschritt Asmodis die Flammenwand erneut.
Ab nun war er ein Verfemter. Ein Verräter an der Hölle.
Und gleichzeitig deren größte Hoffnung.
***
In Caermardhin flimmerte erneut die Luft, als der Bote des Wächters der Schicksalswaage materialisierte. Dieses Mal aber so, dass Asmodis es nicht mitbekam. Emotionslos stellte der Bote fest, dass sich der Dämon bereits an die Arbeit gemacht hatte, die Mauern der Burg mit seinen Kräften flutete und Übereinstimmung mit den hier schlummernden Magien herstellte. Das würde allerdings einige Zeit dauern, denn es war ein durchaus schwieriges Unterfangen, auch für einen Starken wie Asmodis.
Ein wenig wollte der Bote noch verweilen, auch wenn so weit alles geregelt war. Mit einem Trick hatte er Svantevit in eine Falle gelockt, aus der er lange nicht entkommen würde. In der Schwarzen Gruft , einst aus LUZIFERS zweiter Träne entstanden, wirkten nicht nur die Schöpferkräfte des Verstoßenen, wenn auch auf abstruse Weise, sondern dazu verwirrende magische Strömungen, die die Gruft zu einem wahren Labyrinth machten. Denn hier hatten sich LUZIFERS Wahnsinn, seine Angst und sein Hass, als er in die Finsternis gestoßen worden war, besonders stark manifestiert. Diese Kräfte wurden zwar mit der Zeit schwächer, aber bis die Schwarze Gruft keine Gefahr mehr selbst für höhere Dämonen darstellte, würden weitere Jahrmillionen vergehen.
Das grüne Flirren huschte durch die noch toten Mauern. Es war nötig gewesen, dass er, der Bote, Svantevit kaltgestellt hatte. Denn hätte sich die Flammenfratze zum Ministerpräsidenten aufgeschwungen - und das hätte ihr sicher keinerlei Probleme bereitet - wäre es nur noch eine Frage der Zeit gewesen, bis alle vier Gesichter Svantevits wieder vereint gewesen wären. Der enorme Machtfaktor, der dadurch auf der Seite des Bösen entstanden wäre, konnte der Wächter der Schicksalswaage in diesen schwierigen Zeiten des Umbruchs aber nicht dulden, da sich die Waage im Moment ohnehin mehr auf die Seite des Bösen neigte. Deswegen war es wichtig, dass die Hölle für die nächste Zeit eine eher schwache Führungsspitze erhielt. Mit Stygia als Ministerpräsidentin und dem gemäßigten, fast schon neutralen Fu Long als Fürst der
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