0904 - Murcons Burg
sich der Quellmeister. „Das war das Grollen des Donnermeisters", antwortete Serena. „Er muß sich über etwas sehr geärgert haben."
„Wer ist der Donnermeister?" wollte Pankha-Skrin wissen. „Ein Geist der Vergangenheit, der in der Tiefe lebt."
„Ärgert er sich oft? Ich meine: Sind solche Erschütterungen häuf ig?"
„Ich habe noch nie darauf geachtet", erklärte Serena naiv. „Vielleicht eine in jedem Hunderttag."
Während dieser Unterhaltung bewegten sich die beiden ungleichen Wesen durch einen Gang, der die Fortsetzung des Stollens bildete, durch den Pankha-Skrin gekommen war. Er führte auf der anderen Seite der Halle weiter. Serena schätzte, daß sie in etwa einer Stunde bewohnte Gegenden erreichen würden.
Diese Zeit nützte der Quellmeister, um sich seine Fragen beantworten zu lassen - mit wenig wissenschaftlichem Erfolg, wie das soeben erlebte Beispiel zeigte.
In anderer Hinsicht aber hatte Pankha-Skrin mehr Glück. Zum Beispiel drangen plötzlich aus seinem Übersetzer wieder jene eigentümlich fiependen Laute, die er zuvor schon einmal gehört hatte, ohne daß er sich ihre Herkunft hatte erklären können. Diesmal sah er jedoch, wie Serena rhythmisch den Mund spitzte.
Also war sie es, die die Laute von sich gab, und das Greräusch lag in einem Frequenzbereich, den loowerisehe Hörorgane nicht wahrnehmen konnten. „Warum tust du das?" fragte er. „Ich kenne mich hier nicht besonders gut aus", antwortete Serena. „Ich bin diesen Weg noch nicht oft gegangen."
Da begann der Quellmeister zu verstehen. Die halblauten Rufe erzeugten ein Echo, anhand dessen die blinden Bewohner der Tiefe sich orientierten. Er sprach mit Serena darüber und erfuhr, daß die Signale „Sehrufe" genannt wurden. Er begriff jetzt auch, daß die blinden Zaphooren selbst normale Unterhaltungen im Bereich des Ultraschalls führten. Darum hatte zwar sein Übersetzer, nicht aber er selbst hören können, was Serena in der dunklen Halle zu dem fremden Geist sprach.
Auf diesen Geist brachte Pankha-Skrin nun endlich das Gespräch, nachdem er zuvor noch etliche belanglose Fragen gestellt hatte. „Wer war das, der dich quälen wollte?" fragte er.
Serena zögerte mit der Antwort.
Der Loower beobachtete sie. Ihr zierliches Gesicht war in Bewegung. Sie empfand seelischen Schmerz. Fast reute es den Quellmeister schon, die Frage gestellt zu haben, da stieß die Zäphoorin hervor: „Ich bin überzeugt, daß es Arqualovs Geist ist! Aber zu Zullmaust darf man davon nicht sprechen, denn er ist der Hüter der Arqualov-Sage und läßt nichts auf Arqualov kommen."
„Wer ist Arqualov? Und warum tut er solche Dinge?"
„Arqualov ist der Urvater, und seine Frau, Irritt, ist die Urmutter. Die Sage berichtet, sie seien einst Nomaden gewesen, die das Universum durchstreiften und bei einem ihrer Streifzüge auf Murcon trafen. Murcon fand an ihnen Gefallen und lud sie auf seine Burg ein. Sie aber waren falschherzig. Es gefiel ihnen in der Burg. Sie wollten bleiben. Also schafften sie Murcon beiseite und nahmen die Burg in Besitz. Von Arqualov und Irritt stammen alle Zaphooren ab, die heute in der Burg leben."
„Ist Arqualov mit dem Donnermeister verwandt? Ist auch er ein Geist der Vergangenheit?"
„Oh, ja, sie sind alle miteinander verwandt", antwortete Serena eifrig. „Donnermeister war einer von Arqualovs Gefolgsleuten. Er und Felsenfresser und Spurenfinder - und wie sie alle heißen."
Eine eigenartige Welt tat sich vor dem geistigen Auge des Loowers auf.
Bei den Zaphooren der Unterwelt war die Erinnerung an die Vergangenheit offenbar viel lebendiger als droben an der Oberfläche. Aber sie war nicht rein überliefert worden.
Sagen und Legenden verbrämten sie, und es war vor lauter Geistern und Gespenstern nicht an den eigentlichen, den wissenschaftlich nachprüfbaren Sachverhalt heranzukommen.
Dennoch beschloß Pankha-Skrin, die Überlieferungen der Blinden Zaphooren aufmerksam zu studieren.
Vielleicht gelang es ihm, hinter dem Gestrüpp von Märchen und Sagen die Wahrheit zu erkennen. Außerdem, so nahm er sich vor, würde er sich nicht daran hindern lassen, in die Halle zurückzukehren, aus der er Arqualovs Geist vertrieben hatte. Er wußte, wie man mit Geistern umging, und die Halle schien etliche Geheimnisse zu enthalten, die zu enträtseln waren.
Nach Ablauf von etwa vierzig Minuten gerieten Pankha-Skrin und seine Begleiterin an eine Stelle, an der sich mehrere Gänge auf einer platzartigen Fläche kreuzten. Dort
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