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0907 - Die blutenden Bäume

0907 - Die blutenden Bäume

Titel: 0907 - Die blutenden Bäume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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gleich geöffnet werden würde, und Harry Stahl, der ungern wartete, weil er das noch aus alten DDR-Zeiten kannte, mußte sich in Geduld fassen.
    Er bewunderte den klaren Morgenhimmel, dessen sanftes Blau einen Maler sicherlich inspiriert hätte, aber er sah auch die kalten Augen der Überwachungskameras schräg über der Mauer und dem Tor, und am liebsten hätte er ihnen die Zunge herausgestreckt.
    »Sie können jetzt eintreten!«
    »Wie nett!«
    Harry Stahl hörte das summende Geräusch. Er stieß gegen die schmale Seitentür der Pforte, die trotz ihrer Schwere leicht nach innen schwang, und zwei Schritte später befand sich Harry Stahl auf dem Gelände des Zuchthauses.
    Sofort spürte er das Ziehen in seiner Magengrube. Er mochte keine Zuchthäuser, keine Gefängnisse, überhaupt keine Räume, die überwacht wurden. Auch noch ein Erbe aus alter Zeit, wo ein ganzer Staat in ein Zuchthaus verwandelt worden war. Aber das lag fünf Jahre und mehr zurück, so daß Harry frei durchatmen konnte.
    Auch wenn er eine beschissene Zeit hinter sich hatte, jetzt ging es ihm besser. Nach der Wende war er Kommissar gewesen, dann hatte man ihn wegen einer Verschwörung aus dem Dienst geworfen. Harry hatte versucht, sich als Privatdetektiv durchzuschlagen, was ihm mehr sehlecht als recht gelungen war, und er war dann über einen Fall gestolpert, bei dem ihm ein Freund namens John Sinclair sehr geholfen hatte. Gemeinsam hatten sie das Rätsel eines alten Stasi-Gefängnisses gelöst. Stahl hatte den Auftrag von einem gewissen Schmidt erhalten, einer Person ohne Hintergrund. Sie war einfach da gewesen, hatte gut beobachtet, und diese Bewährungsprobe hatte Harry Stahl bestanden.
    Er war wieder übernommen worden, er hatte wieder einen Job. Diesmal arbeitete er für die Regierung, nicht mehr und nicht weniger. Es gab keinen Geheimdienst, für den er tätig war, einfach nur für die Regierung sollte er die Augen offenhalten und sich um rätselhafte Fälle kümmern, ähnlich wie John Sinclair in London. Man hatte Stahl sogar geraten, mit dem Geisterjäger zusammenzuarbeiten, was er natürlich gern tat, denn John Sinclair, Suko und er waren Freunde.
    Harry fühlte sich wieder als Mensch. Er bekam ein recht gutes Gehalt und brauchte auf den Spesenpfennig ebenfalls nicht so genau zu schauen, denn oft genug führten ihn die Untersuchungen in Kreise hinein, wo Geld keine Rolle spielte.
    In diesem Fall jedoch nicht.
    Hier umschlossen ihn die tristen Zuchthausmauern. Selbst die Fenster schafften es kaum, der Fassade ein anderes Bild zu geben. Sie waren nicht mehr als viereckige Löcher mit einigen Eisenstangen davor. Wer einmal in den Löchern hockte, würde es schwer haben, dort wieder herauszukommen.
    In der Bude war es zu heiß.
    Zwei Männer erwartete- Ihn, Einer in Uniform, der Aufpasser, und ein anderer in Zivilkleidung. Er war kleiner als Harry, trug einen schlichten Staubmantel und eine Baskenmütze auf dem Kopf. Sein Gesicht war blaß und nichtssagend, der Händedruck aber kräftig, und er stellte sich als Müller vor.
    Stahl mußte das Grinsen unterdrücken. Er wußte genau, daß der Mann nicht Müller hieß. In diesem Job umgaben sich zahlreiche Personen mit Decknamen, aber Harry konnte sich vorstellen, daß er für denselben Verein arbeitete wie er. Für das Ministerium des Inneren.
    »Sie sind pünktlich«, sagte Müller.
    »Wir waren verabredet.«
    »Gut, dann kommen Sie mit.«
    Sie verließen die Bude und erreichten einen langen Flur, in dem es kühler war. Kahle Wände, hin und wieder beklebt mit einem Hinweisschild, wo auf verschiedene Trakte und Zonen innerhalb des Zuchthauses hingewiesen wurde, und es gab auch ein Schild, dessen pfeilartige Vorderseite in Richtung des Besucherraums wies.
    Dorthin gingen die Männer.
    Müller verlangsamte seine Schritte. Er hatte die Hände in die Taschen geschoben. Die Mütze klebte noch auf seinem Kopf. Unter den Rändern sah Harry dunkelbraunes Haar.
    »Man hat Sie eingeweiht, Herr Stahl?«
    »In etwa.«
    »Was heißt das?«
    »Na ja, ich weiß nichts Genaues. Ich habe nur gehört, daß hier ein Mann sitzt, der bei einer Schlägerei beinahe drei Menschen totgeprügelt hat.«
    »Das stimmt.«
    »Und was habe ich mit der Sache zu tun?«
    Kurz vor einer grauen Tür blieb Müller stehen. Er legte seine Stirn in Falten. »Sie werden, so hoffe ich, gleich erleben, was Sie damit zu tun haben.«
    »Wie nett.«
    »Sagen Sie das nicht!«
    »Aber Sie wissen, weshalb ich bei diesem Verein angestellt

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