Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0907 - Die blutenden Bäume

0907 - Die blutenden Bäume

Titel: 0907 - Die blutenden Bäume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
nichts.
    Er wartete auf ihn wie eine Geliebte, die ihn mit offenen Armen empfing.
    Nicht mal zweihundert Meter war der Rand entfernt. Ackerböden, feucht, uneben und weich, machten das Laufen zur Strapaze. Doch Schwierigkeiten waren dazu da, um überwunden zu werden. Daran hatte er sich immer gehalten. Wenn er nur nicht so schlapp wäre. Er hatte den Eindruck gehabt, als wäre die Energie im Laufe des Tages aus seinem Körper geronnen, und nun benötigte er eine Tankstelle, um selbst Kraft zu tanken.
    Seine Beine waren schwer. Die nassen Füße schleiften über den matschigen Boden, doch je näher er seinem Ziel kam, um so besser konnte er laufen. Der nahe Wald war für ihn eine Quelle der Kraft, die schon jetzt Wirkung zeigte.
    »Ich komme!« keuchte er. »Ich komme!« Er breitete die Arme aus, als wollte er die ganze Welt umarmen. Auf seinem Gesicht lag ein Strahlen, die große Freude tanzte in seinen Augen. Der Wind blies ihm ins Gesicht, und er schien bereits den Geruch des Blutes mitzubringen, den die Bäume abgaben. Er sah sie blaß schimmern. Birken gehören zu den Bäumen, die als erste im Jahr ihr Kleid aus Blättern bekommen. Sie sind Boten des Frühlings, und sie strömen einen Duft aus, der Raskin normalerweise nicht interessierte, aber hier war es anders. In diesem Wäldchen verbreiteten sie ihren intensiven Blutgeruch, der Raskin berauschte.
    Raskin kämpfte sich weiter voran. Sein Herz schlug schwer, und Seitenstiche quälten ihn, doch die Energiequelle lockte. Er konnte nicht widerstehen.
    Unterholz versperrte ihm den Weg. Er trat es nieder.
    Raskin torkelte nur mehr. Plötzlich sah er sich von den ersten Birken umringt. Schlanke Stämme, hell schimmernd, beinahe wie alte Gebeine, die sich jedes Jahr erneuerten.
    Ein Wunder, ein blutiges Wunder…
    Er konnte nicht mehr. Immer öfter knickten die Beine weg, und es kostete ihn immer mehr Kraft, die Füße anzuheben.
    Auch der erneute Schwächeanfall machte ihm nichts aus. In heller Vorfreude legte er den Kopf zurück und schaute in die Höhe. Die Bäume kamen ihm noch höher vor, als hätten schlanke Riesen ihre Knochen hinterlassen. Darüber sah Raskin den dunklen Himmel, an dem vereinzelt die Sterne funkelten. Auch er bewegte sich, das zumindest nahm er an. Er konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten.
    Er fiel.
    Nicht sehr schnell, sondern relativ langsam, als würden ihn noch Gummibänder halten. Während des Fallens drehte er sich auf die rechte Seite und traf in dieser Haltung den Boden.
    Sein Kopf schlug einen Moment später auf. Er spürte die feuchte Erde unter seiner rechten Gesichtshälfte, den kalten Dreck, das ebenfalls kalte Laub, das an seiner Haut klebte, und auch die Zweige, die in sein Gesicht bissen. Schmutzkrümel rollten über seine Lippen und drangen in seinen Mund. Raskin schmeckte ihn und hörte es, als er seinen Mund bewegte, zwischen den Zähnen knirschen.
    Er hielt die Augen offen und atmete die schwere Nebelluft.
    Sein Körper zuckte. Die Hände ebenfalls. Vor ihm bewegte sich etwas.
    Es war aus dem Boden gekrabbelt, weil Raskins Hände das Laub hochgewühlt hatten. Ein kleiner Käfer glotzte ihn aus schillernden Augen an und huschte dann weg.
    Er hatte das Gefühl, Regenwürmer im Mund zu haben, und er ekelte sich davor. Dabei war es nur sein eigener Speichel, der dort zusammenfloß.
    Er spie ihn aus.
    Fritz Raskin war über seine eigenen Beine gestolpert. Er hatte sie angezogen, die Hacken stemmte er in den weichen Boden und schaffte ei so, sich umzudrehen.
    Die Rückenlage gefiel ihm besser. Sein Blick glitt in die Höhe. Der Himmel kam ihm so tief vor, daß die Zweige der kahlen Bäume Löcher hineinrissen.
    In den Lücken schimmerte ein kaltes Licht.
    Sterne - weit, sehr weit entfernt, winzige Beobachter, ebenso wie der große Nachtvogel. Er segelte als Schatten vorbei, als wäre er eine verlorene Seele auf der Suche nach der endgültigen Wahrheit.
    Allmählich ging es Raskin besser. Der Atem normalisierte sich ebenso wie der Herzschlag. Und es würde ihm noch besser gehen, wenn er es erst einmal geschafft hatte, sich zu erheben. Er war ja am Ziel. Die Bäume umstanden und bewachten ihn. Raskin keuchte nicht mehr. Er konnte sich auf die Umgebung konzentrieren, ohne durch seine eigenen Geräusche abgelenkt zu werden.
    Dann atmete er tief ein. Seine Augen bekamen Leben, denn er hatte zum erstenmal seine Umgebung richtig gerochen. Der Geruch war vorhanden. Er kitzelte in seiner Nase. Raskins Lippen verzogen sich zu einem

Weitere Kostenlose Bücher