091- Das Schloß der teuflischen Deborah
unkompliziert wie möglich zu machen,
gab er sich als Freund der Patientin aus.
Dr. Flanish
war einer von der Sorte Mensch, die nicht viel sagten, auch wenn man ihnen
Löcher in den Bauch fragte.
Oder wußte er
selbst noch zu wenig, um sich äußern zu können?
Larry wurde
daraus nicht klug.
Der junge
Arzt gestattete beiden, die Kranke zu besuchen.
»Sie ist
ansprechbar«, meinte er. »Manchmal ist sie völlig klar. Reden Sie ruhig mit
ihr, reißen Sie sie aus dem Schlaf, in den sie immer wieder zu fallen droht!«
Larry nickte.
Susan Anne
Hoogan lag in einem Einbettzimmer.
Ihr Bett
stand an einem Fenster mit Blick in den gepflegten Garten des Hospitals. Rechts
neben dem Bett stand in Höhe des Kopfendes ein weißer, auf Rollen befestigter
Nachttisch, auf dem sich ein Schälchen mit Medikamenten befand und eine Plastikflasche,
in der eine farblose Infusion abgefüllt war.
Auch jetzt
erhielt sie eine Infusion. An einem Gestell hing eine Plastikflasche, aus der
die Flüssigkeit in die Vene von Susans linkem Arm tropfte.
»Susan? Ich
bin’s, Miriam.« Larrys Schwester beugte sich über sie. Susan lächelte.
»Miriam?«
flüsterte sie, schlug die Augen auf und murmelte vor sich hin.
Miriam warf
Larry einen traurigen Blick zu. »Mir kommt es so vor, als wäre sie noch dünner,
noch schwächer geworden«, sagte sie leise.
Susan Anne Hoogan
erzählte ständig weiter, und niemand verstand etwas. Es war, als rede sie im
Fieber. Sie hatte die Augen wieder geschlossen. Deutlich sah man, wie sich die
Pupillen hinter den fast durchsichtigen Augenlidern bewegten.
»Sie sieht
etwas und will es uns erzählen«, wisperte Larry, ohne die Kranke aus den Augen
zu lassen.
Was sah sie,
was erregte sie in diesem Moment?
Larry
versuchte es zu erkennen und lauschte jedem einzelnen Laut, aber nur Susan Anne
Hoogan sah und hörte etwas. Sie bewegte sich in einer gespenstischen Welt, die
niemand außer ihr wahrnahm.
●
Sie schwamm
in einem unsagbaren Gefühlschaos.
Manchmal
erkannte sie, daß es ein Traum war und versuchte, aus dem See der Farben und
Geräusche, der Stimmen und Visionen emporzutauchen. Aber es riß sie immer
tiefer. Die Eindrücke waren so stark, so intensiv, daß sie förmlich in deren
Bann geriet, als würde sie hypnotisiert.
Es ist kein
Traum, wisperte es in ihr. Und sie erkannte, daß es ihre eigene Stimme war.
Susan Anne
öffnete die Augen. Sekundenlang war sie wieder ganz klar und sah die beiden
Gesichter über sich – Miriam Brent und einen Mann, den sie nicht kannte. »Es
ist alles wahr, alles. Die Vergangenheit greift nach mir. Ich bin in
Manor-Castle.«
Ob Miriam es
verstand?
Ja, Susan
Anne Hoogan war in Manor-Castle.
Wie ein
unsichtbarer Gast streifte sie durch die Räume und Hallen, sah die mächtigen
Mauern und die Lüster.
Im Schloß
herrschte Unruhe. Etwas ging hier vor.
Es war das
gleiche Schloß, das der Milliardär David T. Wimburn Stein für Stein aus
Schottland hatte fortschaffen lassen.
Aber das
Castle, das Susan Anne Hoogans Geist durchstreifte, war noch neu und von den
Menschen, denen es einst gehört hatte, bewohnt.
Sie erlebte
Dinge, die viele Jahrhunderte zurücklagen, die Anfang des 12. Jahrhunderts das
Schicksal des Spukschlosses bestimmten.
●
Herr auf
Schloß Manor war Sir Howard Manor. Er herrschte mit eiserner Hand, war aber
gerecht. Sir Howard wußte seit geraumer Zeit von einer finsteren Verschwörung.
Lady Deborah, seine Frau, beschäftigte sich mit schwarzer Magie und diente dem
Satan.
Sie war eine
Hexe!
Damit hatte
sie sich eines todeswürdigen Vergehens schuldig gemacht.
Lady Deborah
mußte sterben!
Der Henker
war bestellt, hielt sich im Schloß auf und wartete auf seinen Auftritt.
Vor Lady
Deborahs Zimmer waren zwei mit Hellebarden bewaffnete Wachen postiert.
Die zum Tode
Verurteilte hatte einen letzten Wunsch äußern dürfen, der eines ausklammerte:
Noch einmal die beiden Söhne zu sehen, die aus ihrer gemeinsamen Verbindung
hervorgegangen waren. Dies hatte Sir Howard von vornherein kategorisch
abgelehnt.
Aber er war
damit einverstanden gewesen, daß sich Lady Deborah vor ihrem Tod von einem
Maler porträtieren ließ.
Die Frau mit
der strengen Frisur saß dem Künstler unbeweglich wie eine Puppe Modell.
Ihr Blick war
finster, in den schwarzen, tiefliegenden Augen glomm ein geheimnisvolles Feuer.
Ein rätselhaft unergründliches Lächeln spielte um die blutroten Lippen.
Der Maler
stand vor der Staffelei und setzte Pinselstrich
Weitere Kostenlose Bücher