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091 - Die Braut des Hexenmeisters

091 - Die Braut des Hexenmeisters

Titel: 091 - Die Braut des Hexenmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Willow
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Ein „Madonnengesicht mit leidenschaftlichen Lippen“ hatte Jean es genannt. Sie hatte schreckliche Sehnsucht nach ihm – und gleichzeitig Angst. Am liebsten wäre sie aus dem Haus gerannt und ins Quartier Latin gefahren, wo er seine Studentenbude hatte. Aber dann nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und zwang sich, ihr Haar zu bürsten und ihren Koffer auszupacken.
    Irgendwie hingen ihr Schicksal und ihre gemeinsame Zukunft mit diesem Haus zusammen. Das spürte Manon ganz deutlich.
    Sie würde so lange bei Madame Robin bleiben, bis sie das Geheimnis erforscht hatte, das ihren Jean bedrohte.
    Sie blickte gedankenverloren in ihre eigenen Augen und dachte an die herrlichen Tage in der Picardie, wo sie Jean vor einem halben Jahr kennengelernt hatte.
    Mitten in ihre angenehmen Erinnerungen hinein klopfte es. „Das Essen ist fertig, Kind!“ rief Madame Robin vor der Tür.
     

     
    Eine Stunde später saß Manon wieder im Taxi, Madame Robin neben sich, die ihre Hand festhielt, als wäre Manon schon seit Jahren ihre beste Freundin.
    Sie fuhren nach Westen, durch den dunklen Bois de Boulogne. Dann ging es über die Seine, durch winkelige Straßen und dann einen Berg hinauf. Odile Robin redete ununterbrochen – von den Sehenswürdigkeiten der Stadt, vom Meister und den wunderbaren Dingen, die Manon durch ihn kennenlernen würde.
    Das Taxi hielt plötzlich auf einem Parkplatz mitten zwischen hohen Bäumen. „Hier geht es nicht weiter“, sagte der Chauffeur. „Den Rest müssen Sie leider zu Fuß zurücklegen.“
    Manon stieg aus und blickte sich verwundert um, während Madame Robin das Fahrgeld zahlte. Weit und breit war kein Haus zu sehen. Rechts unter ihr breitete sich das Lichtermeer von Paris aus, links ragte eine dunkle Masse in den Himmel auf. Ein Fünfeck, ein Pentagramm, dachte sie plötzlich und erschauerte. Das magische Zeichen gegen Hexen und Zauberer. Über ihr war ein Stück der Mauer eingestürzt. Das Pentagramm war verletzt, es wirkte nicht mehr.
    An jeder Ecke des Pentagramms ragte ein Turn auf. Aus dem Turm über dem Parkplatz sicherte Licht durch die schmalen Schießscharten.
    Madame Robin berührte sachte Manons Arm. „Dort oben wohnt der Meister“, sagte sie leise. „Er erwartet uns sicher schon.“
    Die alte Dame ging Manon voran und stieg eine lange schmale Steintreppe zu der Turmtür hinauf. „Nur hier kann er zwischen Himmel und Erde leben, wo die Geister beider Elemente sich treffen. Das Fort ist seit vielen Jahren verlassen – ein Museum. Diesen Turm hat der Meister gepachtet. Sie werden sehen, was er daraus gemacht hat.“ Sie deutete auf die Zinne des Turms. „Selbst die Fledermäuse mögen ihn. Sie fliegen nur über diesem Turm.“ Manon legte den Kopf in den Nacken. Hoch oben kreisten die schwarzen Nachttiere lautlos um den Turm. Sie glaubte ihre schrillen Schreie zu hören und erschauerte. Schon wollte sie umkehren, als die Tür sich vor ihnen öffnete.
     

     
    Die anderen Teilnehmer an der Seance waren bereits versammelt. Madame Robin ging voraus, um den Meister auf seine neue „Schülerin“ vorzubereiten. Simone, die Haushälterin des Meisters, nahm inzwischen Manon den Umhang ab. „Sie brauchen keine Angst zu haben“, sagte sie und lachte. „Die Leute hier sind ganz harmlos. Und der Meister ist sehr nett.“ Simone legte Manon den Arm um die Schulter und raunte ihr zu: „Ist doch alles nur Humbug. Geisterbeschwörungen sind Mode. Die Leute lassen sich was vormachen und zahlen dafür. Und der Meister lebt nicht schlecht davon.“ Dann schob sie Manon durch die Tür in den Saal.
    Manon war verwirrt. Statt einer Zigeunerin oder Hexe empfing ein hübsches Mädchen mit spöttischen Augen und Grübchen die Gäste, als kämen sie zur Party eines Industriellen. Simone trug eine weiße Schürze über dem schwarzen Kleid und versorgte die Gäste am kalten Büfett.
    Der Saal, in den Manon geführt wurde, glich eher einer Nachtbar als einer Geisterbehausung. Er war kreisrund, mit rotem Samt tapeziert, und hatte eine Bartheke mit einer Spiegelwand, die fast um den ganzen Saal herumlief. Die Gäste, alle in Abendkleidung, standen mit gefüllten Tellern und einem Glas Sekt an der Theke und unterhielten sich angeregt. Madame Robin war nirgends zu sehen. Ein etwas beleibter, kleiner Mann im Smoking kam sofort auf Manon zu, nahm ihre Hand und verbeugte sich. „Ich soll mich um Sie kümmern, mein Kind“, sagte er, mit asthmatischer Stimme. „Gestatten Sie, daß ich mich vorstelle. Ich bin

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