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Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Titel: Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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Erster Teil
    J oséphine schrie auf und ließ den Kartoffelschäler fallen. Die Klinge war abgerutscht und hatte tief in ihr Handgelenk geschnitten. Blut, überall Blut. Sie sah hinunter auf die blauen Adern, den roten Schnitt, das weiße Spülbecken, das Abtropfsieb aus gelbem Plastik, in dem weiß und glänzend die geschälten Kartoffeln lagen. Langsam tropfte das Blut auf die weiße Beschichtung. Sie stützte sich mit den Händen zu beiden Seiten des Beckens ab und brach in Tränen aus.
    Sie musste einfach weinen. Sie wusste nicht genau, weshalb. Es gab zu viele Gründe. Der hier war genauso gut wie jeder andere. Sie sah sich nach einem Spültuch um, nahm es und verband damit ihre Wunde. Ich werde zu einem Brunnen, aus mir sprudeln Tränen, aus mir sprudelt Blut, aus mir sprudeln Seufzer, ich gehe zugrunde.
    Das wäre ein Ausweg. Zugrunde gehen. Einfach sterben, ohne ein Wort zu sagen. Ihr Leben aushauchen wie eine Lampe, die allmählich verlischt.
    Sterben, aufrecht vor dem Spülbecken. Man stirbt nicht im Stehen, korrigierte sie sich sofort, man stirbt liegend oder kniend, mit dem Kopf im Backofen oder in der Badewanne. In einer Zeitschrift hatte sie gelesen, die häufigste Form des Selbstmords bei Frauen sei ein Sprung aus dem Fenster. Erhängen bei Männern. Aus dem Fenster springen? Das brächte sie niemals über sich. Aber unter Tränen verbluten, ohne zu wissen, ob die Flüssigkeit, die aus einem herausläuft, rot ist oder klar. Langsam einschlafen. Dann leg das Spültuch weg und halt die Hände ins Becken! Aber selbst dann, selbst dann … Du müsstest stehen bleiben, und man stirbt doch nicht im Stehen.
    Außer im Kampf. Im Krieg …
    Noch herrschte kein Krieg.
    Sie schniefte, zog das Spültuch fester um die Wunde, drängte die
Tränen zurück und fixierte ihr Spiegelbild im Fenster. Sie hatte immer noch ihren Bleistift im Haar. Los jetzt, sagte sie sich, schäl die Kartoffeln … Für alles andere hast du später noch Zeit!
     
    An diesem Morgen Ende Mai zeigte das Thermometer achtundzwanzig Grad im Schatten an. Ein Mann saß auf seinem überdachten Balkon im fünften Stock und spielte Schach. Allein. Nachdenklich musterte er das Schachbrett. Um den Schein zu wahren, wechselte er sogar den Platz, wenn er den gegnerischen Part übernahm, und griff im Vorbeigehen nach einer Pfeife, an der er zu saugen begann. Er beugte sich vor, stieß den Rauch aus, nahm eine Figur in die Hand, stellte sie wieder hin, lehnte sich zurück, seufzte erneut, nahm dieselbe Figur wieder hoch, versetzte sie und nickte. Dann legte er die Pfeife hin und kehrte zurück auf den Stuhl gegenüber.
    Der Mann war etwa mittelgroß, sehr gepflegt, mit hellbraunem Haar und braunen Augen. Die Bügelfalten seiner Hose waren messerscharf, seine Schuhe glänzten, als hätte er sie gerade erst aus dem Karton genommen, die aufgekrempelten Hemdsärmel gaben den Blick auf schlanke Unterarme und Handgelenke frei, und seine Nägel waren so schimmernd poliert, wie es nur eine professionelle Maniküre bewirkt. Eine leichte, gepflegte Bräune unterstrich den sandblonden Eindruck. Er glich jenen kleinen Spielfiguren aus Karton, die lediglich mit Socken und Unterwäsche bekleidet sind und denen Kinder alle möglichen Uniformen – Pilot, Jäger, Entdecker – anheften können. Ein Mann, den man für einen Katalog fotografieren könnte, um bei Kunden Vertrauen zu wecken und die Qualität der abgebildeten Möbel zu unterstreichen.
    Plötzlich erhellte ein Lächeln sein Gesicht. »Schachmatt«, murmelte er seinem imaginären Gegner zu. »Pech gehabt, alter Junge! Das war’s! Und ich wette, du hast es nicht mal kommen sehen!« Zufrieden schüttelte er sich selbst die Hand und verstellte die Stimme, um sich zu gratulieren. »Tolle Partie, Tonio! Du warst heute richtig gut.«
    Er stand auf, streckte sich, rieb sich dabei die Brust und beschloss, sich ein Gläschen zu genehmigen, auch wenn es dafür eigentlich noch zu früh war. Normalerweise trank er seinen Aperitif abends um zehn nach sechs, während er »Questions pour un champion« schaute. Die
Quizshow von Julien Lepers war zu einem festen Bestandteil seiner täglichen Routine geworden, dem er ungeduldig entgegenfieberte. Es ärgerte ihn, wenn er sie verpasste. Ab halb sechs wartete er darauf. Er konnte es kaum erwarten, sich mit den vier Kandidaten zu messen, die man ihm präsentieren würde. Außerdem war er gespannt, welches Jackett der Moderator tragen würde und mit welchem Hemd, welcher

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