Vampir-Expreß
Die Gestalten saßen in der Dunkelheit, weil sie diese so liebten. Dafür hassten sie das Licht und besonders die Sonne mit ihren heißen, erbarmungslosen Strahlen.
Im Finstern fühlten sie sich wohl, schließlich waren sie selbst Geschöpfe der Nacht.
Minutenlang hatte Stille zwischen ihnen geherrscht, bis aus dem Dunkel eine Stimme aufklang. »Wir können es einfach nicht so lassen, meine Freunde.«
Ein Murmeln war die Antwort. Vorschläge wurden nicht in die Diskussion geworfen Dieselbe Stimme sagte wieder etwas. »Also, Freunde, was sollen wir tun?«
»Mach du einen Vorschlag! Schließlich hast du uns auch zusammengeholt, Väterchen.«
»Hör auf mit Väterchen! Ich will wissen, was wir tun sollen. Wir können es nicht hinnehmen, dass man sie einfach in dieser Erde begraben hat und weiter nichts geschehen ist. Schließlich war sie eine von uns, und sie stand auch ziemlich weit oben.«
»Aber man hat sie vernichtet«, sagte ein weiterer. »Ihr wurde der Pfahl ins Herz gestoßen.«
»Das wissen wir alle.«
»Richtig. Was können wir dann noch tun?«
»Ihr eine letzte Ehre erweisen.«
»Willst du an die Asche?«
»Warum nicht?«
Nach dieser fragenden Antwort stand das Schweigen zwischen ihnen wie eine Wand. Mit diesem Vorschlag hatte niemand gerechnet. An die Asche sollten sie also. Sie vielleicht aus der Erde holen, um sie an einen Platz zu schaffen, der ihnen genehm war.
»Nun?« erkundigte sich der erste Sprecher. »Seid ihr damit einverstanden?«
Das Murmeln hörte sich nach Zustimmung an. Einer hatte noch Bedenken. »Wie sollen wir alle an ihr Grab kommen? Wir müssen nach Rumänien.«
»Ist dieses Land nicht unsere eigentliche Heimat?«
»Das stimmt.«
»Also werden wir auch hinfahren. Sie hat Großes geleistet, und dann einen Fehler gemacht, der ihr den Tod brachte, denn sie legte sich mit der Hölle an. Dennoch können wir von ihr nur mit Hochachtung sprechen. Welcher Vampir hat schon eine Organisation wie die Mordliga so sicher geführt?«
Auf diese Frage konnte ihm niemand der Anwesenden eine Antwort geben.
Bis aus dem Dunkel eine kratzige Fistelstimme aufklang. »Gut, wir werden also fahren. Aber wie gelangen wir dorthin?«
Der Hauptsprecher lachte. »Das habe ich bereits erledigt, meine Freunde. Ihr braucht euch wirklich keine Sorgen zu machen. Es steht alles bereit. Sämtliche Schwierigkeiten sind aus dem Weg geräumt worden. Ich habe, euer Einverständnis vorausgesetzt, eine Wallfahrt organisiert. Ein außergewöhnlich, spektakuläres Ereignis. Wir fahren mit dem Zug in das Land unserer Ahnen. In zwei Tagen kann der Vampir-Express starten.«
Wieder entstand eine überraschte Schweigepause.
»Das ist ungeheuer«, sagte einer. »Einfach unglaublich.«
»Aber machbar«, erwiderte derjenige, der alles so gut organisiert hatte.
»Eine Wallfahrt in das Land unserer Väter, die wir miterleben.«
Jetzt waren sie begeistert. Nur einer von ihnen, der jüngste im Bunde der Schwarzblütler, fragte: »Wen sollen wir eigentlich in Rumänien besuchen?«
»Da fragst du noch? Es ist das Grab einer Frau. Zu Lebzeiten hieß sie Pamela Barbara Scott. Von den meisten wurde sie nur Lady X genannt…«
***
Der Vampir-Express stand auf dem Wiener Westbahnhof. Die meisten Menschen empfanden es als einen herrlichen Gag, einen Zug mit diesem Namen von Wien aus in den Balkan starten zu lassen. Wer Österreich und Ungarn durchfahren konnte, musste wirklich Beziehungen besitzen. So recht wusste niemand, wer den VampirExpress gechartert hatte, selbst die flinken Reporter der Wiener Kronen-Zeitung waren nicht dahintergekommen Man sprach von einem geheimnisvollen Adeligen. Andere wollten einen Nachkommen des berühmten Grafen Dracula erkannt haben, wieder andere redeten über eine clevere Gruppe von Geschäftsleuten die den Zug zu Werbezwecken einsetzen wollten.
Wie dem auch war, es glich einer kleinen Sensation, dass dieser Sonderzug fahren und zudem noch von einer Dampflok gezogen werden sollte.
Sensationen ziehen Menschen an. So war das auch hier. Eine Stunde vor Mitternacht herrschte auf dem schmalen Bahnsteig reger Betrieb. Reporter waren da, Fotografen, Reisende, das Zugpersonal, sie alle bildeten einen bunten Menschenwirrwarr, in dem die Verkäufer mit ihren Imbisswagen auch nicht fehlen durften.
Der Geruch von heißen Würstchen, von Schaschlik und kleinen Pfannkuchen schwängerte die Luft, und so mancher Reisende nahm noch einen letzten Bissen vor der Abfahrt.
Wie es sich für einen
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