0910 - Der Totflüsterer
in diesem Leben als Rhett Saris ap Llewellyn etwas anders war als all die Male zuvor. Dass er anders war als all seine Vorgänger. Dass das Schicksal oder sonst eine höhere Macht eine besondere Rolle für ihn vorgesehen hatte.
In den Momenten, in denen nicht gerade Hormonschübe seinen Körper durchschüttelten, sagte er sich immer wieder, dass sich wohl jeder Pubertierende einredete, dass mit ihm etwas nicht in Ordnung sei und er anders sei als alle anderen. Die Augenblicke dieser nüchternen Herangehensweise hielten nur leider nie lange an. Dann wurde Rhett geflutet von einer Wut, die ihm selbst unheimlich war. Wut auf sein Schicksal, auf sein Dasein als Erbfolger , auf das zögerliche Erwachen seiner Erinnerungen und überhaupt auf die ganze Welt.
Ausgerechnet als die Wutflut wieder einmal ihren Höchststand erreicht hatte, kam Fooly in Rhetts Zimmer geschneit und belästigte ihn mit der Schnapsidee, Heldensagen nachzuspielen. Da der tollpatschige Jungdrache zu Rhetts besten Freunden zählte, ließ er sich doch überreden.
Also hatte er im Fundus alter Spielsachen gewühlt und ein sprödes Plastikschwert herausgekramt.
Und jetzt stand er hier im Schlosspark Fooly gegenüber und wünschte sich, er läge noch auf seinem Fußboden mit einem Buch in der Hand und Travis aus dem Lautsprecher!
»Ach! Als Drache hast du so was also im Griff, ja? Warum glaube ich dann, verkokelte Haare zu riechen?«
Fooly verschränkte die Arme vor der Brust. »Woher soll ich das denn wissen? Einbildung vielleicht? Außerdem finde ich es blöd, dass du den Helden spielst und ich immer der böse Drache sein muss!«
Rhett lachte freudlos auf. »Ich weiß nicht, ob's dir schon aufgefallen ist, aber du bist ein Drache!« Er pfefferte das Plastikschwert in die Wiese. »Aber weißt du was? Mach deinen Scheiß doch alleine. Ich hab sowieso keine Lust mehr auf diesen Kinderkram! Ritter und Drache! Dass ich nicht lache! Du glaubst gar nicht, wie sehr du mir mit deinen Albernheiten auf die Nüsse gehst!«
Er drehte sich um und stapfte aufs Château zu.
»Hey! Du kannst mich doch nicht so stehen lassen!«, hörte er Foolys weinerliche Stimme hinter sich.
»Siehst du doch, dass ich das kann!«
»Aber wir sind Freunde!«
»Freunde! Pah! Schöner Freund, der versucht, einen zu grillen! Auf solche Freunde kann ich verzichten, echt! Von mir aus kann dich der Blitz beim…«
Der Rest des Satzes ging in einem ohrenbetäubenden Getöse unter.
***
»Hey! Du kannst mich doch nicht so stehen lassen!«
Fooly konnte es nicht fassen, dass Rhett einfach davonging. Klar, den Streich des Plastikschwerts hatte er wirklich kaum gespürt. Er hatte sich eher wegen der grimmigen Miene erschrocken, die Rhett gezeigt hatte. Aber wie konnte aus so einer Lächerlichkeit denn so ein Streit werden?
»Siehst du doch, dass ich das kann!«
»Aber wir sind Freunde!«
Fooly räusperte einen Frosch von der Größe einer Kuh aus der Kehle.
Der Drache merkte, wie das Strahlen des Tages verblasste und die Umgebung in einem sonderbaren Zwielicht versank. Was war denn jetzt auf einmal los? Fooly legte den Kopf in den Nacken und blinzelte nach oben.
Der Himmel war noch immer tiefblau, bis auf eine einzige grauschwarze Wolke - und die hatte sich genau vor die Sonne geschoben. Wo kam die denn so plötzlich her?
»Freunde! Pah! Schöner Freund, der versucht, einen zu grillen! Auf solche Freunde kann ich verzichten, echt! Von mir aus kann dich der Blitz beim…«
Ein greller Blitz zuckte aus der Wolke und schlug nur wenige Meter jenseits der Schlossmauer in eine Eiche. Der Baum zersplitterte, schien zu explodieren. Ein Ast stürzte brennend zu Boden. Nahezu gleichzeitig brandete der Donner über sie hinweg, laut, aggressiv und bedrohlich wie ein Peitschenknall.
Nicht einmal fünf Sekunden später zerfaserte die Wolke. Der Himmel war so makellos wie zuvor.
Mit großen Telleraugen starrte Fooly auf die Überreste der Eiche.
»Warst… warst…«
Er sah zu Rhett. Der wandte ihm noch immer den Rücken zu, war aber wenigstens stehen geblieben.
»Warst du das?«
Rhett gab keine Antwort.
»Hältst du das für lustig?« Fooly watschelte zum Erbfolger und umrundete ihn, dass er ihm ins Gesicht sehen konnte. »Vielleicht hätte ich wirklich nicht Feuer spucken sollen. Aber deshalb gleich mit einem Blitz nach mir zu schießen, finde ich echt… echt… also richtig blöd, finde ich das! Also, warst du… Rhett?«
Der fünfzehnjährige Junge rührte sich nicht. Seine Augen
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