0910 - Der Totflüsterer
niemals kriegen! Niemand weiß, was sie damit sagen wollte. Es vergingen fünf Tage, bis der Tote Nummer vier mit seinem Auto von der Straße abkam und eine Brücke hinunterstürzte. Bis zum letzten Toten dauerte es dann vier Tage. Er hat sich erschossen. Vor den Augen seiner Frau und seiner Kinder!«
»Wann war das?«
»Vorgestern.«
»Und du glaubst, es geht noch weiter?«
»Ich weiß es nicht. Kann sein. Aber mir sind die Hände gebunden. Auch wenn es eine merkwürdige Häufung ist, sind es doch keine Fälle für die Mordkommission.«
»Warum sagst du uns erst jetzt Bescheid?«, fragte Nicole dazwischen.
»Um ehrlich zu sein, ich habe erst jetzt bemerkt, dass sie alle für Roger Luynes gearbeitet haben. Mit den Fällen waren drei verschiedene Ermittler befasst, sodass es nicht gleich aufgefallen ist.«
Zamorra runzelte die Stirn. Hatte diese Serie von Todesfällen etwas mit Agamar zu tun? Aber der war doch vernichtet, oder etwa nicht? Was hatte Luynes mit der ganzen Sache zu tun? Schon bei Agamars Rückkehrversuch war Clement Luynes ein eher zufälliges Opfer gewesen. Bis heute war Zamorra nicht klar, warum sich der Tunnel aus der Schattendimension ausgerechnet in Lyon und da ausgerechnet in Luynes' Villa geöffnet hatte. Oder war das alles nur ein aberwitziger Zufall, ein Beweis dafür, dass der Blitz eben doch zweimal an derselben Stelle einschlagen konnte?
Zamorra beschloss, es herauszufinden!
»Danke für deinen Anruf, Pierre. Wir werden uns die Sache mal genauer ansehen.«
***
»Zeit zu sterben, elendes Mistvieh!«
Rhett Saris ap Llewellyn hob das Schwert und rannte auf Fooly zu.
Der Jungdrache mit der bräunlich grünen Haut zuckte zusammen und machte einen Satz zurück. Die kleinen Flügel flappten auf seinem Rücken vor und zurück, erhoben Fooly jedoch nicht in die Luft. Stattdessen riss er die Krokodilsschnauze auf und spie einen gebündelten Feuerstrahl in Rhetts Richtung. Der duckte sich darunter weg, was aber nicht nötig gewesen wäre. Die Flamme wäre auch so über ihn hinweg gegangen.
Mit einem wilden Schrei ließ er das Schwert herabsausen und traf die linke Schulter des Drachen.
»Aua!«, schrie Fooly. »Sag mal, spinnst du?«
Rhett ließ die Waffe sinken. »Warum?«
»Du kannst mit dem Ding doch nicht wirklich nach mir schlagen. Das tut weh, Mann!«
»Geht's noch?« Rhett blies die Wangen auf. »Das Schwert ist aus Plastik und du bist ein gepanzerter Drache. Du willst mir nicht erzählen, dass du das gespürt hast, oder?«
»Hab ich wohl!«
»Du bist echt voll das Mädchen, Alter! Außerdem hast du Feuer nach mir gespuckt. Und das war nicht aus Plastik.«
»Na und? Ich hab sowieso zu hoch gezielt! Als Drache hab ich so was im Griff.«
Die beiden standen sich im Schlosspark von Château Montagne in der Nähe des Nordosttors gegenüber und funkelten sich an. Das Wetter war traumhaft und keine Wolke verunzierte das Blau des Himmels. Deshalb war Fooly vor einer guten Stunde auf die glorreiche Idee gekommen, mit Rhett Heldensagen nachzuspielen.
Allerdings war es ein hartes Stück Arbeit für ihn gewesen, Rhett dazu zu überreden. Streng genommen hatte er ihn auch nicht wirklich überredet, sondern eher überquengelt. Rhett wäre trotz des strahlenden Sonnenscheins lieber in seinem Zimmer geblieben, hätte etwas gelesen und dazu das letzte Travis-Album gehört. Mit anderen Worten: Er hätte lieber seine Ruhe gehabt!
Rhett war in den letzten Wochen sehr nachdenklich geworden. Er war der Erbfolger , was nichts anderes hieß, als dass er nach seinem Tod im Körper seines Sohns weiterlebte - und zwar genau ein Jahr länger als in seinem letzten Körper. Dann wiederholte sich das Spiel erneut: Zeugung eines Sohns, Tod, Wechsel der Seele in den neuen Körper und ein wiederum ein Jahr längeres Leben. In seiner jetzigen Inkarnation würde Rhett 266 Jahre alt werden. Er hatte also noch gute 251 Jahre vor sich!
So ging das nun schon seit weit über 30.000 Jahren.
Leider hatte der Erbfolger nicht sofort Zugriff auf die Erinnerungen seiner Vorgänger und die Llewellyn-Magie. Beides stellte sich erst nach und nach ein, größtenteils während der Pubertät. Und genau das war es, was Rhett so wahnsinnig machte!
Er versuchte, sich damit zu trösten, dass all seine vorherigen Inkarnationen dasselbe hatten durchmachen müssen, nur klappte das immer schlechter. Der Gedanke schmeckte schal und irgendwie - falsch! Aus Gründen, die er selbst nicht verstand, wurde er das Gefühl nicht los, dass
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