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0911 - Nachtgestalten

0911 - Nachtgestalten

Titel: 0911 - Nachtgestalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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beachtete es nicht, hatte nur noch Augen für das Geschöpf, das gekommen war, um ihn - so, vermutete Asmodis, sah der Junge das wohl - zu sich zu nehmen.
    »Ich bin bereit für meine wahre Familie. Ich habe getan, was ich musste, um mich ihrer würdig zu erweisen.«
    Asmodis erschauderte.
    Was für ein Anblick. Was für eine Entwicklung. Sein Plan war aufgegangen, Luc hatte getan, was er von ihm erwartet hatte - letzten Endes doch.
    Was für eine Katastrophe!
    »Ich verstehe«, sagte der Dämon leise und tonlos. Feuer glomm in seinen Augenhöhlen, und das trübe Licht der Deckenlampe spiegelte sich auf seinen Hörnern. »Komm zu mir, Luc Curdin.«
    Und Luc kam. Ein nahezu unmenschliches Jauchzen drang aus der Kehle des Jungen, und sein Lächeln - dieses grausame, entrückte Lächeln, das nun mehr Fassade als Inhalt war - wurde noch eine Spur breiter. Mit ungleichmäßigen, ungesteuerten Schritten eilte er auf Asmodis zu, wie ein Kind, das gerade erst laufen gelernt hatte, auf seinen lange vermissten Vater. Die Arme weit geöffnet, näherte er sich dem Dämon, presste sich an ihn. Dankbar und hoffnungsvoll. Oh, so hoffnungsvoll.
    »Ich wusste, dass du wiederkommst«, sagte er leise. »Dass du mich nicht vergisst. Ich wusste, dass dieses Opfer dir gefallen würde.«
    Asmodis legte seine Arme um ihn. Schützend, wie ein Muttertier. »Ist schon gut, mein Kleiner«, murmelte er. Dann griff er mit der Hand nach dem Dolch, den Luc noch immer in der Rechten hielt. Asmodis nahm ihn an sich und blickte hinab, sah noch einmal in diese Menschenaugen.
    »Es tut mir leid«, sagte er dann. »Unendlich leid.«
    Und der Dolch stach zu.
    ***
    Hölle
    Es dauerte eine ganze Weile, bis Rachban herausgefunden hatte, was aus Luc Curdin geworden war. Und als er es erfuhr, geschah dies eher aus Zufall denn aus gezielter Recherche. Dennoch traf ihn die Nachricht schwer. Mit hängenden Schultern begab sich der Irrwisch ein weiteres Mal zu Stygia. Zu seiner grenzenlosen Überraschung ließ man ihn auch sofort vor.
    »Wer ist das gewesen?«, fragte die schöne Ministerpräsidentin, nachdem Rachban seinen Bericht beendet hatte, und ihre Stimme war kaum noch mehr als ein Flüstern. Bedrohlich und lauernd.
    »Ich weiß es nicht.« Rachban schüttelte ratlos den Kopf. »Die Menschen vermuten, dass es von ihm selbst ausging. Dass er zum Mörder wurde, das Leben dieser Dupont nahm und sich danach selbst richtete. Gut möglich, dass unsere… unsere kleinen Kurskorrekturen in all den Jahren ihn so weit getrieben haben.«
    Stygia schüttelte den Kopf. Wallend fiel ihr schwarzes Haar auf elfenbeinerne Schultern. »Nein, Rachban. So weit war er noch nicht. Von sich aus hätte Luc Curdin niemanden getötet. In ein oder zwei Jahren vielleicht, aber heute noch nicht.«
    »Ihr meint also…«, begann der Irrwisch.
    »Ganz recht. Irgendjemand hat sich in unserer Abwesenheit ein wenig mit unserem Spielzeug amüsiert. Und es kaputt gemacht.« Ein kaltes Leuchten trat in Stygias Augen, das Rachban erzittern ließ. »Und ich mag es nicht, wenn man meine Spielsachen kaputt macht.«
    Die Ministerpräsidentin der Hölle erhob sich aus ihrem Thron und machte ein paar Schritte in den Raum hinein. Als sie Rachban erreicht hatte, legte sie ihm die Hand auf den kahlen Schädel, und Rachbans Zittern wandelte sich, wurde zu einem angenehmen Gefühl.
    »Irgendjemand, Rachban«, flüsterte Stygia und strich ihm gedankenverloren über den Kopf. »Und wenn ich herausfinde, wer es war, dann wird er dafür bezahlen. Oh ja, teuer bezahlen.«
    ENDE
    [1] Siehe Professor Zamorra Nr. 902 »Das Erbe der Hölle«
    [2] Siehe Professor Zamorra Nr. 623 »Odyssee des Grauens«
    [3] Siehe Professor Zamorra Nr. 907 »Imperium der Zeit«

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