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0911 - Nachtgestalten

0911 - Nachtgestalten

Titel: 0911 - Nachtgestalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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schon blendete, was er zu tun hatte. Wohin er gehörte.
    »Ich verstehe«, sagte er langsam in die Stille hinein. »Was genau soll ich tun?«
    Was du willst. Öffne dich - und der Rest wird sich finden…
    Luc warf einen letzten Blick auf Marie, die von all dem nichts mitbekommen hatte, dann schloss er die Augen und bemühte sich, an gar nichts zu denken.
    Und die Schwärze hinter seinen Lidern explodierte! Ein gleißend helles Licht erstrahlte in seinem Geist, vor seinem mentalen Auge, wie der Feuerkelch einer Bombendetonation. Als das Gleißen nachließ, sah Luc den Raum wieder. Durch die geschlossenen Augenlider konnte er ihn sehen, weit deutlicher noch, als auf normale Art. Und nun sah er auch, wovon Le Pen gesprochen hatte.
    Denn direkt vor Luc - mitten in der Luft und nur für sein mentales, geistiges Auge sichtbar - schwebte ein Dolch. Sein kunstvoll verzierter Griff glitzerte im Licht der Deckenlampe. Und die Spitze seiner Klinge zeigte nach vorn.
    Auf Marie.
    ***
    Asmodis wusste genau, wo er den Jungen zu suchen hatte. Und er hoffte inständig, dass er noch nicht zu spät kam. Wenn Stygia erfuhr, dass er… Undenkbar. Wieder und wieder schalt sich der Erzdämon in Gedanken einen Narren. Verblendet war er gewesen, irregeleitet von Lucs Präsenz - für die hauptsächlich Stygia verantwortlich gewesen war -, von Korellys unvollständigen Berichten und von seiner, Asmodis' eigener irrealen Hoffnung, die so verzweifelt gesuchte Nadel im Heuhaufen gefunden zu haben.
    Doch das hatte er nicht. So viel stand zweifellos fest. Luc Curdin war kein JABOTH, sondern nur ein Spielzeug Stygias, mit dem sich diese in früheren Jahren die Zeit vertrieben hatte. Nicht auszudenken, was geschah, falls Stygia davon Wind bekam, was Asmodis aus ihrem Protegé gemacht hatte!
    LUZIFER hatte Asmodis ins Vertrauen gezogen, als er ihm - und nur ihm! - von JABOTH berichtete. Diese Information war nur für seine Ohren bestimmt gewesen. Es konnte nicht sein, dass Stygia davon erfuhr. Und Asmodis musste nun tun, was er konnte, um genau dies zu verhindern.
    Hoffentlich komme ich nicht zu spät! , dachte er, als er in der Abstellkammer des Bahnhofs materialisierte, in die er Luc zu locken geplant hatte. Und dann sah er das Grauen.
    Es war geschehen.
    Alles war genau so gekommen, wie Asmodis es geplant hatte.
    So, wie es jetzt nicht mehr sein durfte.
    Luc Curdin stand in der Mitte des Raumes, das helle Shirt blutgetränkt. Die schwarzen Haare klebten ihm schweißnass am Kopf, und sein Atem ging stoßweise, wie der eines Leistungssportlers nach einem großen Wettkampf. Er hielt den Dolch mit beiden Händen umklammert, und in seinen Augen, aus denen die Tränen wie Sturzbäche zu Boden flossen und helle Schlieren auf seinem Gesicht hinterließen, lag ein Funkeln, wie es Asmodis noch nie zuvor bei dem Jungen gesehen hatte. Es war das Funkeln des Wahnsinns, der völligen Selbstaufgabe.
    Hinter Luc stand der Holzpfahl, an den Asmodis einige Stunden zuvor die hilflose Studentin gefesselt hatte. Sie war noch immer dort, aber jegliches Leben hatte ihren jungen Körper längst verlassen - gemeinsam mit dem Blut, das aus den diversen Stich- und Schnittwunden an ihrem Leib hinaus geflossen war. Das neue Kleid, das Asmodis ihr extra geschickt hatte, hing ihr in Fetzen am Leib. Eine rote Lache am Boden war das Letzte, was noch auf die Vitalität und Energie hinwies, die einst in Marie Dupont gesteckt hatte.
    »Es ist geschehen«, sagte Luc, als er die Anwesenheit des Erzdämons bemerkte. »Genauso, wie ihr es von mir erwartet habt.«
    Die Stimme des Jungen klang schrill, pfeifend, hatte aber dennoch einen lallenden Tonfall. Als wäre er nicht ganz da, als stecke er in einer Art Halbschlaf. Asmodis hoffte, dass er sich auch genauso fühlte. Es wäre eine Gnade. Für ihn, nein, für sie beide.
    Erst jetzt fiel dem Dämon auf, dass er sich gar nicht in seine Menschengestalt verwandelt hatte. Er war nicht als Schnauzbärtiger erschienen, als »Le Pen«, wie Luc ihn insgeheim getauft hatte, sondern als Sid Amos, die Gestalt, die ihm in den letzten Jahrzehnten eine Heimat geworden war. Und dennoch hatte der Junge ihn sofort erkannt. Erstaunlich - oder auch wieder nicht. Nicht mehr.
    Lucs Mund strahlte vor Glück, auch wenn seine Augen diesem Gefühl Hohn sprachen. In einer Geste, die Asmodis nur als Begeisterung deuten konnte, hob der vierzehnjährige Menschenknabe die Arme und streckte ihm beide Hände entgegen. Schnodder lief ihm aus der Nase, doch Luc

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