092 - Piraten im Nordmeer
sie soeben den Kürzeren. Ein fuchsgesichtiger Flybusta-Offizier schwenkte einen weißen Fetzen, um den Soldaten zu signalisieren, dass er und die seinen zur Aufgabe bereit waren.
Das Beste aber war: Kapitän Orland und die beiden anderen Piraten – Vierauge und Rotauge, wenn er sich recht erinnerte – saßen in der Falle! Völlig erschöpft standen sie seinen Elitesoldaten gegenüber. Vor allem Orland war so fertig, dass seine Hände zitterten.
Skölnir Schädelspalter spürte tiefe Genugtuung in sich. Ein einziger Befehl, und die beiden Männer bei Orland würden fallen. Und dann…
Ein weißer Schatten, der geduckt über das Geröll jagte, lenkte den König ab. Er blinzelte verwirrt: Ein weißer Lupa hetzte heran, blieb genau vor Rotauge stehen und knurrte die Soldaten an. Skölnir war so perplex, dass er vergaß, den Befehl zu geben.
»Ho! Ein Schiff am Horizont!«, klang eine Stimme oberhalb der Felsen auf. Ein Soldat stand dort und wies aufs Meer hinaus. Skölnir folgte der Richtung mit Blicken und reckte den Hals.
In der Tat – am Horizont, hinter dem Kessel, wurden die roten Segel des Schiffes sichtbar, dessen Ankunft Skölnir seit Tagen erwartete. Er musterte die Gefangenen, und ein zufriedenes Lächeln verzog seine Lippen. Etwa drei Dutzend Flybusta hatten die Schlacht überlebt. Das genügte, um bei Ukluk eine nette Summe zu erzielen.
Heißer Triumph wogte in Skölnirs Brust. Er hob seine Klinge gegen Kapitän Orland – natürlich in sicherer Entfernung zu dem weißen Lupa, der noch immer drohend vor den drei Männern stand. »Ergibst du dich, elender Bastard?«
Der Anführer der Flybusta schaute sich um. Die ehemals prächtigen Kleider hingen in Fetzen an seinem Körper. Seine Augen flackerten eigenartig, als sei er nicht mehr ganz Herr seiner Sinne. Hände und auch Kinn des Mannes zitterten.
»Nun?«, fauchte Skölnir.
Kapitän Orland betrachtete sein auslaufendes Schiff und seine kapitulierenden Männer. Dann nickte er und krächzte: »Ja… Wir geben uns geschlagen.« Ein schwerer Seufzer entrang sich seiner Brust.
Skölnir gab seinen verdreckten und erschöpften Soldaten ein Zeichen. Die Flybusta ließen ihre Waffen fallen und überantworteten sich dem Feind. Rotauge – er hatte tatsächlich rote Augen, eine weiße Haut und ebensolches Haar! – sprach mit dem Lupa, und als würde das Tier ihn verstehen, kam es an seine Seite und gab die Drohgebärde auf.
»Wirst du uns töten?«, fragte Kapitän Orland den König von Tromsoy.
Skölnir lachte. »Es wäre mir zwar eine große Freude, wenigstens dich geteert, gefedert und aufs Rad geflochten zu sehen, aber…«, er deutete auf die näherkommenden roten Segel, »noch mehr Vergnügen bereitet es mir, dir und deiner Bande ein grässliches Schicksal zu prophezeien – und zwar in einem Land, in dem schon viele Menschen sehnlich darauf warten, sich an euch zu rächen.« Er hob seine Nase in den Wind, und seine Augen glitzerten tückisch. »In einem Land, in dem aufgrund eurer Schandtaten viele Witwen und Waisen leben. Ich werde euch als Sklaven verkaufen, auf dass ihr bis ans Ende eurer Tage unter möglichst vielen grausamen Herren auf den Meera-Inseln schmachtet.«
Der stolze Kapitän Orland starrte ihn entsetzt an und fiel dann regelrecht in sich zusammen.
Und Vierauge schaute zu Rotauge und sagte etwas, das wie
»Schitt heppens« klang.
ENDE
Die Maddrax-Leserstory
Blut Von Sascha Niewöhner
Die Sonne ging über dem friedlich daliegenden Zeltlager auf.
Vögel zwitscherten, Grillen zirpten. Poch die Idylle trog. Das spürte Yasim genau, als er von seinem Frekkeuscher stieg. Er band das Tier an einem Baum fest und trat zwischen zwei Zelten hindurch auf den Feuerplatz. Das Feuer war erloschen; lediglich die Asche qualmte noch. Verbranntes Fleisch hing an einem Spieß über der Feuerstelle. Ansonsten rührte sich nichts.
Auch nicht in den Zelten.
»Hallo?« Yasim rief nicht zum ersten Mal. Auch diesmal antwortete ihm niemand. Das fremde Lager lag da wie ausgestorben.
Der junge Mann sah sich genauer um. Dabei entdeckte er die Spuren im Gras. Scharrspuren, zerwühlte Erde, herausgerissenes Gras. Und Blut. Ein paar Tropfen nur, aber ihr Anblick alarmierte Yasim.
Plötzlich hörte er das Stöhnen. Es drang aus dem Zelt, zu dem die Spur aus Blut führte. Yasim zückte sein Schwert und näherte sich vorsichtig dem Eingang. Er beugte sich vor, griff nach der Zeltplane und schlug sie schnell zurück, jederzeit bereit, einem Angreifer mit
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