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092 - Piraten im Nordmeer

092 - Piraten im Nordmeer

Titel: 092 - Piraten im Nordmeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Laryssa rümpfte die Nase, als sie die Piktogramme der ihr nächstgelegenen Taverne sah: Von ungelenker Hand gestickte Zeichen verkündeten, dass man dort nicht nur seinen Hunger und Durst stillen, sondern auch anderen Gelüsten frönen konnte. Und mochten sie noch so ausgefallen sein.
    Also der andere Laden, dachte sie und legte ihre behandschuhte Rechte auf den Griff des polierten Säbels. Sie hatte seit Tagen unter freiem Himmel geschlafen und sich von der Hand in den Mund ernährt. Es war an der Zeit, sich mal wieder bedienen zu lassen, den Bauch mit Meet und Gemüse zu füllen und auf einer Strohmatratze zu schlafen.
    Andererseits war sie knapp bei Kasse, und den Finni sagte man nach, dass sie fast so raffgierig und geizig waren wie die Skoothen im nördlichen Britana.
    Ich finde schon eine Möglichkeit, dachte Laryssa und nahm den Schritt wieder auf. Ich bin gesund, helle und gut gebaut, und etwas Besseres als den Tod werde ich allemal finden.
    In dem Gasthof, für den sie sich entschieden hatte, saßen etwa zwei Dutzend Männer an groben Holztischen vor steinernen Humpen und ölten sich die Kiemen. Dazwischen hockten einige blond und rot bezopfte Finna und gingen ihnen um den Bart. Das flackernde Licht armdicker weißer Kerzen warf die Schatten der Gäste an die Wand und die niedrige Decke. Als Laryssa eintrat, musste sie den Kopf einziehen, denn sie maß sechs Fuß und überragte manchen Mann um Haupteslänge.
    Dies war auch der Grund, warum sich einige Köpfe zu ihr umwandten. Laryssa wusste, dass sie nach dem langen Marsch durch die Wälder nicht gerade ein Beispiel für Eleganz war, aber andererseits war sie auch nicht hässlich. Im Gegenteil. Die Mannsbilder gafften. Die Frauen rümpften angesichts der vermeintlichen Konkurrenz die Nase, doch als sie den Säbel an der Seite der Eintretenden sahen, wussten sie, dass es klüger war, sich nicht mit ihr anzulegen. Dies galt übrigens auch für die Männer, und zwar speziell für jene, die ständig mit ihren Muskeln protzten.
    Der Bursche, der sich nun zu ihr umdrehte, sah in der Tat so aus, als würde der heutige Abend böse für ihn ausgehen. Aber natürlich wusste er noch nichts davon, als er beim Anblick der hoch gewachsenen rothaarigen Frau einen Pfiff ausstieß.
    Laryssa musterte ihn kurz. Ja, dachte sie. Der ist es.
    Der Mann war schwarzbärtig und vernarbt. Seine Kleidung wirkte so, als sei er Kapitän oder Schiffsoffizier. Er überragte seinen Gefährten – der roten Zipfelmütze und dem rotgestreiften Hemd nach zu urteilen ein Bootsmann – um einen halben Kopf. Die schmalen Augenschlitze der beiden kündeten von Trunkenheit, und spätestens als der Offizier Laryssa ansprach und sie hörte, dass ihm die Zunge nicht mehr recht gehorchte, wusste sie mehr.
    Die Geldkatzen von Flybusta-Offizieren sind in der Regel prall gefüllt. Ihr Blick fiel unmerklich auf das lederne Säckchen, das am breiten Gürtel des Schwarzbarts hing.
    »Was hast du gesagt?« Laryssa blieb vor dem Tisch stehen und musterte den Offizier furchtlos. Seine Augen glitzerten verschlagen. Aus seinem Blick sprach nicht nur der Alkohol, sondern auch Lüsternheit. Er war wohl daran gewöhnt, dass sich die Damen, die Wudan in nordischen Hafennestern die Zeit stahlen, um seine Gunst bemühten statt umgekehrt.
    Der Bootsmann war von einem anderen Kaliber: ein katzbuckelnder Untertan, der sich in dem Gefühl sonnte, mit seinem Vorgesetzten am gleichen Tisch sitzen zu dürfen. Er fingerte verlegen an seinem Humpen Foydka herum und lachte, als hätte der Offizier einen guten Witz gerissen.
    »Oh«, antwortete Schwarzbart mit schwerer Zunge, »ich sagte gerade zu Bootsmann Ingmor, dass ich ein Froken deiner Größe und Schönheit noch nie gesehen habe.« Seinen Worten folgte exakt jene einladende Handbewegung, auf die Laryssa gewartet hatte. »Willst du auf unsere Borke saufen? Wir haben gerade einen guten Fischzug gemacht, und das muss gefeiert werden.« Er legte eine Hand auf den blauen Stoff seiner mit silbernen Knöpfen verzierten Jacke. »Ich bin Grimür, der Erste Offizier der Sturmbraut, die draußen vor Anker liegt.« Er deutete mit dem Daumen über die Schulter. Laryssa warf einen Blick aus dem Fenster.
    »Ich bin beeindruckt.« Sie zog einen Hocker heran und nahm Platz. »Erzählt mir von eurem abenteuerlichen Leben.«
    Die Wirtin, ebenso drall, bezopft und kurz berockt wie die Damen, die an den Tischen saßen, eilte herbei und fragte sie nach ihren Wünschen. Eigentlich hätte

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