Des widerspanstigen Zaehmung
1. KAPITEL
Mayfair, London 1814
Die Hochzeit von Sir Nigel Boscastle und Lady Jane Weisham wäre das gesellschaftliche Ereignis des Jahres gewesen - sofern sich der Bräutigam die Mühe gemacht hätte, dort zu erscheinen. Nigel glänzte jedoch bei seiner eigenen Vermählung durch Abwesenheit, während der Vater der Braut die geduldige Lady Jane zum Altar führte, wo sie im Kreise ihrer aufgeregten Brautjungfern wartete ... und wartete.
„Nach der Zeremonie werde ich mir den Hohlkopf vornehmen”, grollte der ehrwürdige siebte Earl of Belshire, während seine Tochter dastand, den bestürzten Gästen den Rücken zugewandt. „Dieser Idiot wird noch zu seiner eigenen Beerdigung zu spät kommen!"
Nachdem minutenlang Unsicherheit geherrscht hatte, entschieden der Geistliche und die Eltern der Braut, Janes älterer Bruder Simon, der Viscount Tarleton, könnte bis zum Eintreffen des Bräutigams als vorübergehender Ersatzmann einspringen. Und so standen der Bruder und die sitzengelassene Braut da und warteten ... und warteten.
Zunächst zweifelte niemand daran, dass Nigel früher oder später auftauchen würde, um Jane aus dieser peinlichen Situation zu retten. Vorausgesetzt, er konnte sich daran erinnern, welcher Tag es war, wie ein Gast in der dritten Reihe anmerkte.
Immerhin war Sir Nigel in der Stadt nicht für seinen überragenden Intellekt bekannt, auch wenn seine Großzügigkeit ihm eine Schar treuer Freunde beschert hatte.
Die künftige Braut hatte nicht in der beliebten St. George's Church am Hanover Square heiraten wollen. Als angesehene junge Dame, die noch nie in einen Skandal verwickelt gewesen war, gehörte es zu ihren Gepflogenheiten, möglichst wenig Wind um sich zu machen. Heute jedoch hatte sich die feine Gesellschaft in der bis auf den letzten Platz besetzten privaten Kapelle eingefunden - die an der Park Lane auf dem Anwesen des Marquess of Sedgecroft gelegen war - weil sie einer Hochzeit beiwohnen wollte, die allem Anschein nach gar nicht stattfinden würde.
Lady Jane Weisham - da waren sich die Gäste einig -erinnerte an eine blaublütige Prinzessin. Sie strahlte förmlich in ihrem eierschalenfarbenen Satinkleid, das sie über einem Mieder aus elfenbeinfarbenem Stoff trug. Der geschwungene Saum ihres Kleides legte sich zart um ihre mit Perlen besetzten Schuhe. Ein wallender Schleier aus Honitonspitze lag über ihrem Gesicht und verhüllte sehr zur Enttäuschung des hingerissenen Publikums jedwede Gefühlsregung, die ihr Mienenspiel sonst hätte verraten können.
Das Bukett aus weißen Rosen, das sie in Händen hielt, glänzte von der Goldfarbe, in die man die Blüten getaucht hatte. Weiße Glacehandschuhe umhüllten ihre schlanken Hände, die bemerkenswert ruhig blieben, während Jane eine der schlimmsten Demütigungen erlitt, die es im Leben einer jungen Frau geben konnte - nämlich vor dem Altar stehen gelassen zu werden. Was konnte nur geschehen sein?
Jeder in London wusste von der Absicht der Eltern beider Brautleute, Jane und Nigel miteinander zu verheiraten, seit die gemeinsam im Sandkasten gespielt hatten. Mehr als einmal war in den Gesellschaftsgazetten darauf hingewiesen worden, wie gut das einander versprochene Paar zusammenzupassen schien.
Was war schief gegangen?
„Diese Blumen werden sicherlich zu einem Duftkissen vertrocknen, wenn Nigel noch länger benötigt", ließ Lady Caroline, die Schwester der Braut, bitter verlauten. „Ich könnte ihn dafür erwürgen."
Ihre jüngere Schwester Lady Miranda schüttelte mitfühlend den Kopf. „Der arme Nigel. Glaubst du, er könnte sich verirrt haben? Jane sagte, er benötige einen Stadtplan, um seine Kutsche zu finden."
Caroline kniff ihre goldbraunen Augen nachdenklich zusammen. „Sie hält sich angesichts dieser Erniedrigung passabel aufrecht, nicht wahr?"
„Würdest du von einer Weisham etwas anderes erwarten?", erwiderte Miranda im Flüsterton.
„Ich weiß nicht", gab ihre Schwester zurück. „Aber ich wage zu behaupten, ein solch schändliches Verhalten ist für einen Boscastle wohl typisch. So liebenswürdig sein Auftreten sonst auch ist, stammt Nigel trotz allem aus einer der berüchtigtsten Familien von ganz England. Sieh dir doch nur unseren Gastgeber Sedgecroft dort drüben an, wie er dem König der Salonlöwen gleich auf seiner Bank thront, umgeben von seinen Gespielinnen."
„Seinen was?", fragte Miranda in empörtem Tonfall.
„Ich kann das Wort wohl kaum brüllen, Miranda. Diese Frau im altrosefarbenen Kleid
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