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093 - Neun Leben

093 - Neun Leben

Titel: 093 - Neun Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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schon so lange mit niemandem mehr gesprochen, dass er vergessen hatte, wie man log.
    Also hockte er sich auf den Boden und schwieg, während seine Gedanken durch die Zeit reisten, zurück zu jenem Tag, als sie die Höhle gestürmt hatten, in der seine Familie lebte. Sie hatten wohl die Knochen in der Schlucht gefunden und den Tag damit verbracht, sich Mut anzutrinken. Das ganze Dorf war aufgetaucht, Männer und Frauen, und seine Familie war unter den Äxten und Sensen gestorben. Er war als Einziger entkommen und so lange nach Norden gewandert, bis er diesen Wald fand, der zu ihm zu sprechen schien. Er hatte den Wald lieben gelernt, so wie er die Stadt hasste.
    Der Mann und der Dämon sahen sich an, als er nicht antwortete, aber sie fragten nicht noch einmal nach. Stattdessen wollten sie wissen, ob er sie jetzt gehen lassen würde. Er bedauerte ihre Ungeduld. Es war schön, nach so langer Zeit mit anderen zu reden und die Laute wiederzuentdecken, die man Sprache nannte. Das gefiel ihm.
    Doch sie wollten nicht mehr reden, das machten sie deutlich.
    Der Jäger richtete sich auf und handelte.
    ***
    »Whoa!«
    Mit einer Geschwindigkeit, die Matt dem Riesen niemals zugetraut hätte, schossen dessen Pranken auf ihn zu. Nur eine Rolle zur Seite verhinderte, dass sie sich um seinen Hals legten.
    Matt kam auf die Beine, duckte sich unter den Armen des Riesen hindurch, die wie Pendel hin und her schwangen.
    »Der Speer!«, schrie Black auf Englisch. »Ich lenke ihn ab, schnapp dir den Speer!«
    »Dun pikuun!«, übersetzte der Translator. »Eja confusoo een, tuu katchuu dun pikuun!«
    Matt fluchte.
    Der Riese fuhr herum, bevor er reagieren konnte, und trat mit einem Fuß, der so lang wie der Unterarm eines normales Mannes war, nach dem Speer. Krachend brach das Holz. Seine Hand ergriff das Messer, das eben noch zu Matts Erleichterung in seinem Gürtel gesteckt hatte.
    »Ihr seid nicht stark genug für mich«, sagte er in seiner merkwürdig abgehackt klingenden Sprechweise. Sein massiger Kopf drehte sich auf einem noch massigeren Körper, versuchte die beiden Männer gleichzeitig im Auge zu halten. Matt und Black waren instinktiv in verschiedene Richtungen gesprungen und blieben auch jetzt ständig in Bewegung. Wäre die Situation weniger alarmierend gewesen, hätte Matt darüber gelacht, wie klein und dünn Black neben dem rund zwei Meter fünfzig großen muskelbepackten Körper wirkte. Stattdessen fragte er sich, womit sie den plötzlichen Angriff provoziert hatten.
    »Vorsicht!«
    Seine Warnung ging im Brüllen des Riesen unter, der sich mit einem einzigen Sprung an Black heranbrachte. Die Messerklinge blitzte in der Morgensonne, doch der Stich ging daneben, wurde abgelenkt von einem raschen, verzweifelten Fußtritt. Der Riese setzte nach, konzentrierte sich jetzt ganz auf Black.
    Matt nutzte die Unaufmerksamkeit. Seine Hand fand den zerbrochenen Speer im Gras. Der vordere Teil war zersplittert und unbrauchbar, der hintere wirkte intakt. Er nahm ihn in beide Hände wie einen Baseballschläger.
    Aus den Augenwinkeln sah er, wie Black mit eigenen Schlägen versuchte, an den Körper des Riesen zu gelangen, doch das Messer und die ungeheure Reichweite der Arme machten das zu einem aussichtslosen und gefährlichen Plan.
    Für jeden Schlag, den er landen konnte, musste er zweien ausweichen. Das konnte nicht lange funktionieren.
    Matt näherte sich von der Seite, den abgebrochenen Speer in den Händen. Der runde, übergroße Kopf des Riesen bot ein deutliches Ziel. Er holte aus, legte seine gesamte Kraft in den Schlag und - lag um Atem ringend auf dem Boden, den Speer vergessen neben sich. Seine Brust schien in Flammen zu stehen.
    Er hatte dem plötzlichen Tritt des Riesen nicht mehr ausweichen können. Über und neben sich hörte er die Geräusche des Kampfes, Blacks Keuchen und das Schnaufen des Gegners. Einen Moment lang befürchtete er das Bewusstsein zu verlieren, dann ließ der Schmerz nach und er stand taumelnd auf.
    Der Riese wandte ihm den nackten Rücken zu. Schweiß glitzerte darauf. Seine Bewegungen wirkten unkoordinierter, der Kampf setzte ihm sichtlich zu. Black verschwand beinahe hinter dem massigen Körper, aber er war ebenso schweißüberströmt. Sein Blick traf den Matts.
    Denk dir irgendwas aus, schien er zu fordern.
    Aber was?
    Matthew hob den Speer auf. Wenn sie doch nur die Driller mitgenommen hätten, anstatt sich auf dieses dämliche Macho-Gehabe einzulassen. Dann wäre ihr Gegner schon längst keine

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