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093 - Neun Leben

093 - Neun Leben

Titel: 093 - Neun Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Schritten weiter über den Wehrgang, der am fertigen Teil der Stadtmauer entlang führte. Dort, wo die Mauer noch ein hoher Zaun war, gab es nur Türme, die jeden Abschnitt überblickten.
    Bulldogg sah ihm nach und rammte ihm in Gedanken den Speer tief in den Hintern. Seit dem Morgengrauen war er bereits im Dienst, und jetzt sah es so aus, als würde sich das bis zum nächsten Morgen auch nicht ändern.
    »Hat der Arschkriecher dich verdonnert?« Maakus, der eigentlich auf der anderen Seite des Tores Dienst hatte, stellte sich neben ihn und spuckte braunen Kautabak über die Brüstung.
    »Ja, hoffentlich verpisst der sich bald zur Palastwache, dann sin wir ihn wenigstens los.« Bulldogg trat wütend gegen die Mauer. »Drei Schichten! Niemand macht drei Schichten!«
    Maakus schlug ihm auf die Schulter und biss ein weiteres Stück Tabak ab. Er war ein alter Mann, den nur wenig aufregen konnte. »Ich geh auf dem Weg nach Hause bei deiner Frau vorbei und sag ihr, dass sie dein Essen auf die Mauer bringen soll.«
    »Danke. Ich…«
    Ein plötzlicher Ruf unterbrach ihn.
    »Flugandronen! Über dem Wald!«
    Bulldogg blickte in die angegebene Richtung. Seitdem er sein Auge verloren hatte, sah er auf Entfernungen wesentlich schlechter.
    »Da!«, sagte nun auch Maakus. Unten vor dem Stadttor standen Menschen auf und zeigten in den Abendhimmel. Nach der Langeweile der letzten beiden Tage musste jede Abwechslung wie ein Geschenk sein.
    Jetzt endlich sah auch Bulldogg die Umrisse der schwerfällig fliegenden Andronen. Er lehnte den Speer an die Brüstung und griff nach der Armbrust, die man für solche Fälle ausgegeben hatte.
    »Ihr kommt genau zum richtigen Zeitpunkt«, sagte er und hob die Waffe an die Schulter.
    ***
    Matt traute seinen Augen kaum, als sie sich Berlin näherten.
    Es waren gerade mal drei Jahre vergangen, seit er die Stadt verlassen hatte - und doch hätte er sie beinahe nicht wiedererkannt. Er erinnerte sich an die Runde, die er bei seinem Abflug mit dem Jet gedreht hatte, an das endlose anarchische Trümmerfeld und die verloren wirkenden Menschen, die zu ihm herauf gestarrt hatten.
    Der lange Konflikt zwischen den Stämmen hatte jeden Wiederaufbau verhindert, und er hatte sich damals gefragt, wie Jenny aus diesem Chaos eine funktionierende Stadt machen wollte.
    Er wusste zwar noch immer nicht, wie sie das getan hatte, aber dass sie es getan hatte, war offensichtlich. Die Stadt bestand zwar immer noch aus Ruinen, aber die Trümmer und die Skelette ausgebrannter Autos waren verschwunden. An ihrer Stelle sah er Felder mit gelbem Korn und Weiden, auf denen Kamauler und Frekkeuscher grasten. Wege führten hindurch, es gab sogar eine gepflasterte Straße, die bis zu einer Stadtmauer mit geschlossenem Tor führte. Zahlreiche Menschen und Frachtkarren voller Waren standen davor.
    »Eine Mauer um Berlin«, sagte Matt unwillkürlich, »wenn das keine Ironie ist.«
    Hinter der Mauer, die zum Teil noch aus einem Palisadenzaun bestand, befand sich die tatsächliche Stadt. Die Ruinen des Reichstags gehörten ebenso dazu wie ein Teil der Spree, auf dem Schiffe dichtgedrängt lagen. Zwischen den verfallenen Gebäuden standen Hütten und sogar einige richtige Häuser.
    Berlin schien keine arme Stadt zu sein, wenn ihre Bewohner sich einen solchen Luxus leisten konnten.
    Der erste Pfeil zischte an seinem Ohr vorbei, ein zweiter flog über seinen Kopf hinweg.
    »Wir werden angegriffen!«, rief Mr. Black.
    Matt riss die Androne herum, zwang sie in eine enge Linkskurve. Aus den Augenwinkeln sah er, dass Aruula seinem Beispiel folgte und eine Baumgruppe ansteuerte, hinter der sie vor den Pfeilen sicher sein würden. Black duckte sich in seinem Sattel. Eine ganze Pfeilsalve schoss wie ein Insektenschwarm hoch über ihm vorbei. Entweder waren die Soldaten auf den Wehrgängen die schlechtesten Schützen, die Matt je gesehen hatte, oder sie legten es gar nicht auf einen Treffer an.
    Er drehte sich zur Stadtmauer um. Die Menschen, die davor lagerten, waren aufgestanden und beobachteten die Auseinandersetzung. Eine zweite Pfeilsalve schoss viel zu hoch in den Himmel. Sie beschrieb einen langgezogenen Bogen und verschwand zwischen den Bäumen.
    »Wir sollen landen«, sagte Matt laut. »Das ist kein Angriff.«
    Aruula brachte ihre Androne neben seine. »Bist du sicher?«
    »Würdest du so schlechte Schützen zum Bewachen der Stadt einteilen?«
    Black stützte sich auf den Sattelknauf und nickte. »Ein logisches Argument. Ich stimme Ihrer

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