0931 - Shinigami
sogar schon ein frisch gebackenes Croissant.
***
Louis Landru sah amüsiert auf Julie Deneuve hinunter.
Erst war es für ihn nicht ganz einfach gewesen, sich an eine Mitarbeiterin zu gewöhnen, aber zähneknirschend hatte er es hingenommen, dass es bei seinem Arbeitspensum notwendig geworden war. Aber diese Julie Deneuve war wirklich immer für eine Überraschung gut.
Besonders, wenn sie bei ihrem Frühstückskaffee gestört wurde.
Jetzt saß sie hier vor ihm, mit grimmiger Miene, und ärgerte sich, dass sie von einer schönen, liebevoll zubereiteten Tasse Café au Lait auf einen Coffee to go aus einer der unzähligen 08/15-Coffeeshops hatte umsteigen müssen.
»Mademoiselle Deneuve«, meinte Landru mit hochgezogenen Augenbrauen. »Sind Sie etwa unzufrieden damit, einen neuen Auftrag bekommen zu haben?« Er versuchte, sich das Lachen zu verbeißen. Doch, es war recht nett, eine Mitarbeiterin zu haben, der Chef zu sein und selbige Mitarbeiterin ein wenig zu ducken. Besonders bei einer Julie Deneuve, die sich durchaus zur Wehr setzen konnte und sich nicht ducken ließ, wenn sie das nicht wollte.
Jetzt sah sie durch ihre modische Sonnenbrille zu ihm hin. Natürlich war es bei diesem regnerischen, verhangenen Februarwetter Unsinn, eine Sonnenbrille zu tragen, aber der Anblick amüsierte Landru eigentlich eher, als dass er sich wunderte.
Julie sah ihn durch die dunklen Gläser an. »Nein, damit bin ich nicht unzufrieden«, sagte sie ein wenig spitz. »Ich bin schon einverstanden damit. Aber wenn ich die Unterlagen richtig interpretiere, dann ist Monsieur Blazon an den Folgen seiner Leukämie gestorben. Wieso hat sich denn seine Gattin an Sie gewandt?« Nicole nahm noch einen Schluck Kaffee aus ihrem Pappbecher und blätterte noch einmal die drei Seiten durch, aus denen die Unterlagen für diesen Fall bestanden.
Louis Landru rückte unauffällig seine wild gemusterte Krawatte über dem blau karierten Hemd zurecht. »Sie sollten es als Herausforderung nehmen, Mademoiselle Deneuve. Ich bin sicher, dass Sie mir wie immer die richtigen Informationen zukommen lassen werden. Interviewen Sie Madame Blazon, die behauptet, dass ihr Mann ihr noch etwas von Dämonen erzählt hat.«
Nicole warf einen genervten Blick auf ihren Chef. Ja, da war von einer Beschwörung die Rede, aber Monsieur Blazon hatte Leukämie im Endstadium gehabt. Wie hatte er seiner Frau noch etwas sagen können?
Landru lehnte sich zurück und zog sich eine weitere Fallakte heran. Für ihn gab es jetzt keine Diskussion mehr. »Ich bin gespannt auf Ihren Bericht, Mademoiselle Deneuve.«
Nicole sah zu ihrem Chef noch einmal hin und beschloss, sich nicht aufzuregen. Sie nickte Louis Landru hoheitsvoll zu, schnappte sich den braunen Kaffeebecher und machte sich auf die Socken nach Aubervilliers.
Nach diesem Albtraum heute Morgen konnte sie ein wenig Ablenkung wahrlich gut brauchen.
***
Paulette Blazon rupfte noch ein Kleenex-Tuch aus der Schachtel und schnauzte sich geräuschvoll hinein. Dann begann sie wieder zu schluchzen.
»Ich… oh, Mademoiselle Julie… ich hätte doch nie gedacht - nein, nie gedacht, dass so etwas wirklich pa… passieren könnte!« Wieder begann sie zu weinen und sich die Augen abzutupfen.
So leid Nicole die dickliche Paulette Blazon auch tat - jetzt musste sie doch einen ungeduldigen Seufzer unterdrücken. Seit über einer Stunde saß sie schon mit Madame Blazon hier auf dem mit Spitzendeckchen verzierten Sofa und half Madame bei den Weinkrämpfen, die ihre Erzählungen über die schöne Zeit mit ihrem Ehemann immer wieder unterbrachen.
Nicole zupfte ein neues Taschentuch aus der Box, die zwischen ihr und Madame Blazon stand und reichte es ihr.
Paulette Blazon stopfte das nass geweinte Taschentuch wie die anderen in die Tasche ihres altmodischen Hausfrauenkittels. Sie schnüffelte. »Mademoiselle Julie, Sie müssen mich ja wirklich für eine Heulsuse halten! Aber Sie müssen verzeihen! Meinen Claude auf so eine schlimme Art zu verlieren. Und meine Tochter wohnt so weit weg! In Perpignan! Ich würde ja gern zu ihr und meinen Enkeln ziehen, aber wer hat heutzutage schon das Geld für einen so weiten Umzug!«
Nicoles Herz ging für Paulette auf. Es war wirklich schrecklich, jemanden zu verlieren, mit dem man über 35 Jahre lang verheiratet gewesen und zusammengelebt hatte und dann auf einmal allein dazustehen. Sie dachte an Zamorra - sie war auch mit ihm schon so lange zusammen, dass alles, was davor lag, wie ein anderes Leben
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