0932 - Grausame Zeit
gibt keinen Stacheldraht; der Eiserne Vorhang ist gefallen.«
»Ich habe auch Zeitung gelesen«, erklärte der Mann.
»Ja, das weiß ich. Ist mir alles bekannt. Ich wollte Ihnen nur sagen, daß Sie in eine Welt entlassen werden, die sich stark verändert hat. Und ich will Ihnen auch sagen, daß ich nicht darüber begeistert bin, daß man Sie entlassen hat. Ich hätte Sie gern noch bei uns behalten, denn hier können Sie keinen Schaden anrichten.«
»Ach? - Wie meinen Sie das?«
Müller blieb gelassen, aber innerlich spürte er den Druck. Deshalb verzog er auch das Gesicht. »Ich habe leider nicht erreichen können, daß man Ihnen Auflagen mit auf den Weg gibt. Sie brauchen sich also nicht hei den Behörden zu melden. Sie sind wirklich zu einem freien Mann geworden, Herr Buzea. Ich rate Ihnen nur eines: Nutzen Sie diese Freiheit, um ein ordentliches Mitglied der Gesellschaft zu werden, wie man so schön sagt. Aber lassen Sie die Kinder in Ruhe! Und lassen Sie auch die von Ihnen immer erwähnte andere Seite aus dem Spiel. Ich möchte nicht, daß die Zeit des Grauens wieder beginnt. Ist das klar?«
»Ich habe zugehört.«
»Immerhin etwas.«
»Nur werde ich meinen Weg gehen und ihn mir nicht vorschreiben lassen.« Müller nickte. Er wartete noch einige Sekunden und sagte dann:
»Ich schließe daraus, daß sie sich schon gewisse Pläne gemacht haben.«
»Kann sein.«
»Geld haben Sie ja.«
»Ein wenig.«
»Sie werden es noch bekommen.« Müller hob die Schultern. »Nun ja bei anderen Gefangenen sage ich, daß ich sie nicht mehr hier sehen möchte. Bei Ihnen wäre es mir wohler, Sie eingesperrt zu wissen. Dann wüßte ich Sie sicher.«
»Das ist eine Frage der Einstellung«, meinte Buzea.
»Das weiß ich alles.« Müller erhob sich, und auch Buzea stand auf. Er grinste den Direktor an, der diesen Gesichtsausdruck nicht ertragen konnte und deshalb zur Seite schaute. Er winkte Buzea nicht zu sich an den Schreibtisch heran, um ihm zum Abschied die Hand zu reichen, wie er es bei einigen anderen Entlassenen tat. Er nickte ihm nur zu. Damit war der Mann entlassen.
Buzea drehte sich um. Er hob die Tasche an und sah wieder gegen die Gestalt des Henkers.
Cichon redete kein Wort. Er öffnete die Tür und ließ Buzea vorgehen.
»Jetzt holen wir noch deine Sachen ab.«
»Darauf warte ich.«
Kaum hatte sich die Tür hinter den beiden geschlossen, da griff der Direktor zum Telefonhörer und wählte eine bestimmte Nummer…
***
An diesem Morgen fühlte ich mich nicht besonders. Zum Glück war es ein Samstag, da konnte ich lange ausschlafen, und das war auch nötig nach der Feier am letzten Abend.
Wir hatten richtig einen draufgemacht, wie man so schön sagt, und wir hatten die Rettung der beiden Bauchtänzerinnen gefeiert, die nicht in die Gewalt des mörderischen Skeletts geraten waren. Janina und Wilma waren hocherfreut darüber, und sie hatten auch Joachim Bertus dazu eingeladen, der mit in diesen Strudel hineingerissen worden war.
Auch mir tat es nach all den beklemmenden Fällen gut, wieder einen Sieg feiern zu können, denn ich hatte den Tod meiner Lebensretterin noch immer nicht so recht überwunden und haderte deshalb hin und wieder mit dem Schicksal.
Aber dieser Abdul war nun vernichtet worden. Unheimliche Kräfte hatten ihn vor unseren Augen zerrissen. Janina und Wilma waren frei, und die Last, die von ihnen genommen war, hatte eben zu dieser Fete geführt, aus der ich leicht lädiert herausgekommen war.
Ich erwachte ziemlich spät und kam mir vor wie durch den Wolf gedreht.
Zu versäumen hatte ich nichts, also begab ich mich an die Pflege meines Katers, der sich im Kopf und im Nacken festgesetzt hatte. Über den Geschmack im Mund möchte ich nicht reden, aber ich wollte ihn loswerden und trank deshalb einen Schluck Wasser. Die Flasche stand von der vergangenen Nacht her noch neben meinem Bett.
Danach schlief ich wieder ein.
Erst am Mittag wachte ich auf. Diesmal ging es mir etwas besser. Zwar war ich noch immer wie gerädert, verfluchte den Alkohol im allgemeinen und den Whisky im besonderen, bevor ich mich aus dem Bett wälzte und in Richtung Bad ging.
Ein normales Gehen war das auch nicht. Ich bewegte mich müde weiter, und das Rauschen der Dusche machte mich auch nicht munterer. Erst als die Strahlen auf meinen Körper prasselten, fühlte ich mich wohler. Ich genoß diese mittägliche Entspannung und hoffte, daß mir das Wasser auch den Alkoholnebel aus dem Gehirn trieb.
Denken konnte ich an
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