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0933 - Der erste Erbfolger

0933 - Der erste Erbfolger

Titel: 0933 - Der erste Erbfolger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Fröhlich
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die abgebrannten Kerzen hatte er durch frische ersetzt. Obwohl das breite Portal wieder offen stand, war der Tempelraum menschenleer. Kein Bürger, der den Beistand der Götter erflehte, niemand, der um den Rat des Priesters ersuchte. Die Bänke, die Andachtsteppiche und die Bußschemel lagen leer und verlassen vor ihm. Erfahrungsgemäß würde auch kaum noch jemand kommen. Draußen ging schon die Sonne unter, und nachts fanden nur selten Besucher den Weg in die heiligen Hallen.
    Ausgezeichnet! Dann konnte Invo beginnen.
    Er ging zum Becken der Weisheit. Dabei handelte es sich um eine kreisrunde Einlassung in den Boden von fünf Spannen Durchmesser. Das Wasser darin war klar und nur so tief, dass nicht einmal die Fußknöchel nass würden, stiege man hinein. Daneben stand eine brusthohe weiße Säule, an deren Kopfende ein blauer, faustgroßer Kristall mit dem Stein verschmolzen war. Mit dem Becken der Weisheit konnte ein guter Priester Näheres über einen Hilfesuchenden erfahren. In Verbindung mit dem Gedankenkristall zeigte das Becken Vergangenheit und Gegenwart, Wahrheit und Möglichkeiten des Bittstellers.
    Einem Priester, der über genügend geistige Kraft verfügte, konnte es jedoch viel mehr zeigen. Um einen Missbrauch zu vermeiden, hatte der Hohe Rat es deshalb bei Todesstrafe verboten, dem Becken der Weisheit Bilder zu entlocken, die sich nicht auf Hilfesuchende bezogen.
    Und dennoch war Invo im Begriff, genau das zu tun! Er wusste nicht, wie er der Wurzel des Bösen sonst auf die Spur kommen sollte.
    Nach kurzem Zögern legte er die rechte Hand auf den Gedankenkristall. Sofort spürte er die Kraft, die ihn durchströmte. Jetzt musste er sich nur noch bildhaft vorstellen, was der Kristall zeigen sollte und schon würde das Becken der Weisheit diese Bilder auffangen und darstellen. Gerne hätte er ein Abbild des Bürgers hervorgerufen, der das Böse nach Hysop bringen würde. Da Invo aber weder wusste, um wen es sich handelte, noch, welcher Art das Böse war, konnte er sich keine ausreichend bildhafte Vorstellung davon machen und der Kristall würde ihm gar nichts zeigen. Also konzentrierte er sich darauf, die ganze Stadt mit all ihren Einwohnern vor sich zu sehen - und mit all der Lebenskraft, die sie ausstrahlten.
    Plötzlich begann das Wasser des Beckens zu brodeln, als koche es. Nur wenige Augenblicke später erhoben sich daraus Umrisse. Winzige Häuser, Türme, Brücken. Ganz Hysop zeigte sich als durchscheinendes Bild und Invo sah darauf herab wie ein Vogel. Doch das Becken der Weisheit stellte nicht nur die Baulichkeiten dar. Auf den Straßen, in den Gebäuden, überall wimmelte es von gelblich leuchtenden Punkten. Die energetischen Abbilder der Stadtbewohner!
    Natürlich konnte der Priester bei den Punkten nicht erkennen, um welchen Bürger Hysops es sich jeweils handelte. Aber er hoffte darauf, dass sich die energetische Struktur desjenigen, der den Untergang der Menschheit verursachen würde, von der der anderen unterschied.
    Invo konnte nichts erkennen. Hysop war zu groß, das Becken der Weisheit zu klein. Der Vogel, als der Invo sich fühlte, flog zu hoch über der Stadt, um Einzelheiten ausmachen zu können. Er musste tiefer gehen, auch wenn er dadurch nicht mehr das ganze Bild vor sich sehen konnte.
    Er konzentrierte sich auf sein Vorhaben und wirklich wuchsen die Gebäude im Stadtzentrum an, schossen in die Höhe, wohingegen die am Stadtrand über die Begrenzung des Wasserbeckens wucherten, noch einmal aufflackerten und dann erloschen. Auf diese Art überflog Invo ganz Hysop. Block um Block, Straße um Straße bildete er nach. Und tatsächlich: In einem Haus am Stadtrand entdeckte er neben zwei gelben Energiepunkten einen schwarzen, wabernden Fleck. War es das, was er gesucht hatte? Eine böse Kraft? Womöglich eine Dämonenbeschwörung?
    Draußen im Tempel erklangen Schritte.
    Hitze stieg in dem Priester auf!
    Wer war das? Jesof Treul? Nein, dem hatte er die Erlaubnis gegeben, sich zurückzuziehen, und der Tempelbursche hatte sich bislang immer daran gehalten.
    Ein Hilfe suchender oder bußfertiger Stadtbewohner?
    Die Schritte näherten sich dem Vorhang.
    Keinem Bürger war es gestattet, den Meditationsraum ohne Einwilligung des Priesters zu betreten. Warum kam er dann immer näher? Das wäre ein Frevel, den sich niemand…
    Invo stockte! Es gab doch jemanden, der keine Erlaubnis des Priesters brauchte. Die Stadtgarde!
    Als hätte er sich die Finger daran verbrannt, zog Invo die Hand vom

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