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0947 - Geballte Wut

0947 - Geballte Wut

Titel: 0947 - Geballte Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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gescheitelt, ihre Kleidung sauber und intakt - was man längst nicht über alle Irren sagen konnte, die in U-Bahn-Stationen randalierten. Thierry sah sie aus dem Tunnel treten und konnte ihr die Lustlosigkeit buchstäblich an der Nase ablesen. Die junge Frau wirkte, als seien ihr gleich zehn Läuse über die Leber gelaufen. Ihre Mundwinkel hingen herab, ihr Blick war zornig, und in der Art, wie sie die Steine aus den Rabatten zwischen den Schwellen vor sich herkickte, lag eine Wut, die ihresgleichen suchte.
    »Eigentlich erstaunlich, dass so ein Persönchen derart zur Furie werden kann«, murmelte Thierry. »Zugegeben: Es gehörte nicht allzu viel dazu, Zann zu erledigen. Der Mann war knapp neunzig und kaum kräftig genug, mehr als seinen Bogen zu heben, geschweige denn die Fäuste…«
    Robin grunzte leise. Thierry wusste nicht, ob es zustimmend oder abfällig gemeint war.
    Draußen vor den Fenstern des kleinen Raumes, in dem die zwei Männer saßen, war die Pariser Polizei gerade im Begriff, den Tatort wieder freizuräumen. Die letzten Fotografen hatten ihre Bilder gemacht, die Spurensicherung war mit der Beweisaufnahme durch, und in Ermangelung weiterer Zeugen hatten die Ermittlungsbeamten ihren Job ebenfalls sehr schnell erledigen können. Noch knapp eine halbe Stunde, und Thierry teilte der obersten Dienststelle mit, dass Cité ab sofort wieder angefahren werden durfte. Gut so! Strömten allabendlich doch scharenweise Touristen auf die Insel, um sich im Umfeld von Notre Dame von der Atmosphäre der Seine-Metropole begeistern zu lassen. Ohne die Cité mussten sie auf den Stadtbus umsteigen - der deutlich länger brauchte.
    Auf dem Monitor ging das Mädel gerade in die finale Phase ihrer bizarren Attacke über. Ohne ersichtlichen Grund hatte sie Zann angegriffen, war von den Schienen auf den Bahnsteig gesprungen und hatte sofort auf den Geiger eingeschlagen. Provokation, Motiv - Fehlanzeige! Das war Gewalt um der Gewalt willen, kein Verbrechen aus Hass oder Habgier. Irgendwie, fand Thierry, machte es das nur noch schlimmer.
    »Stopp!« Robin riss die Hand in die Höhe und beugte sich vor. »Bitte, könnten Sie das noch einmal zurückspulen? Nur ein paar Sekunden.«
    Thierry tat ihm den Gefallen. Ganz langsam ließ er die Aufnahme rückwärts laufen, bis Robin ihn abermals anzuhalten hieß. Der Monitor zeigte nun eine Einstellung, in der das Gesicht der Täterin halbwegs deutlich zu erkennen war.
    »Haben Sie die Möglichkeit, mir das mitzugeben?«, fragte der Chefinspektor hörbar angespannt. »Nur dieses eine Standbild, wenn's geht. Vielleicht als Computerausdruck?«
    Thierry grunzte. »Sie haben ja Wünsche! Wir besitzen doch nicht mal Mikrofone.« Dann lächelte er, als er den entsetzten Blick seines Gegenübers bemerkte. »Ein Scherz, ein Scherz. PCs haben tatsächlich schon ihren Weg in unsere Ecke der Stadt gefunden. Und Drucker auch.«
    Keine zwanzig Sekunden später kam das Standbild als Schwarz-Weiß-Ausdruck aus der Maschine - eine knapp DIN A4 große Aufnahme der Täterin, wie sie über ihrem Opfer stand und das wutverzerrte Gesicht in Richtung des Betrachters hielt. Ihre Arme waren zum Schlag erhoben, und an ihren Händen klebte bereits Zanns Blut.
    Thierry reichte Robin das Blatt - und stutzte. Irgendwas im Gesicht des Lyoners ließ ihn zweifeln, ob… »Sagen Sie mal«, begann er zögernd. »Was hat die Lyoner Polizei eigentlich mit dieser Sache zu tun?« Ein Unding, dass ihm dieser eklatante Makel an Robins Gebaren erst jetzt auffiel. »Nichts für ungut, Chefinspektor, ich helfe Ihnen gern. Aber es wundert mich doch, wie viel Interesse Sie diesem Fall entgegenbringen. Schließlich fällt er definitiv nicht in Ihren Dienstbereich.«
    Robin nahm das Blatt und stieß hörbar Luft durch die Nase aus, schwieg aber.
    »Er… fällt doch nicht in Ihren Dienstbereich, oder?«, hakte Thierry nach. Wenn Robins Interesse nicht dienstlicher Natur war, blieb nur eine Alternative. »Sie kennen sie«, keuchte der Stationsaufseher, als die Erkenntnis sich ihre Bahn durch seinen Verstand brach. » Mon dieu , warum bin ich da nicht früher drauf gekommen: Sie kennen die Täterin. Geben Sie es zu, Robin! Sie wissen ganz genau, wer das da ist!«
    Pierre Robin sah auf das Standbild, das noch immer den Monitor zierte. Dann erhob er sich, verstaute den Ausdruck in der Innentasche seines Mantels, nahm die schwarze Umhängetasche, die er getragen hatte, in die linke Hand und reichte Thierry seine rechte. »Ich danke Ihnen,

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