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0947 - Geballte Wut

0947 - Geballte Wut

Titel: 0947 - Geballte Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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hielt es nicht einmal für nötig, jemanden zu schicken, der nach dem Rechten sah? Wo steckten die Mitarbeiter der Pariser Verkehrsbetriebe, wo die Ambulanz? Bis zum Hospital waren es nur wenige Hundert Meter, verflucht!
    Laute Schritte rissen ihn aus seinen Gedanken. Pierre zuckte zusammen. Als er sich umdrehte, sah er drei Männer die stählerne Treppe zum Bahnsteig hinuntereilen. Zwei von ihnen trugen den weißen Dress der städtischen Rettungskräfte, der dritte - ein stämmiger Stiernacken, dessen Pfunde bei jeder Bewegung ein mittelschweres Erdbeben unter seinem Uniformhemd auslösten - hielt eine gezogene Schusswaffe in der Rechten und ein leise quäkendes Funkgerät in der Linken. Robin erkannte ihn an seiner Kleidung: Der Kerl musste zur RATP gehören. Vermutlich der lahmarschige Stationsaufseher.
    »Sie da!«, rief der Dicke und richtete den Lauf seiner Waffe auf Pierre. »Legen Sie die Pistole weg - sofort! Und ganz langsam, klar? Ich hab Sie im Auge, Freundchen!«
    ***
    » Bordel de merde! «
    Thierry Desjardins schlug mit der schwieligen Faust gegen den kleinen Monitor in der hinteren Ecke seines Schreibtisches, und das Flackern stoppte. Stattdessen summte das vermaledeite Gerät einmal kurz auf - und erlosch komplett.
    »Jetzt haben Sie's kaputt gemacht«, kommentierte Robin süffisant.
    »Ach«, machte Thierry in gespielter Überraschung und funkelte seinen Nebenmann böse an. »Sind Sie auch Elektriker, ja? Im Zweitberuf, oder wie?«
    Er mochte den Typen nicht. Chefinspektor der Lyoner Polizei. Wedelte hier mit seinem ach so tollen Dienstausweis herum, als sei das Ding ein Adelstitel, und erwartete, entsprechend bevorzugt behandelt zu werden. Wenn es nach Thierry ginge, hätte der Kerl nichts in seinem Büro zu suchen.
    »Monsieur Desjardins, ich fürchte, wir sind uns auf dem falschen Fuß begegnet. Verzeihen Sie.« Die Stimme des Inspektors klang aufrichtig. »Es liegt nicht in meiner Absicht, Ihnen Ärger zu bereiten oder Ihnen unnötig im Weg zu stehen. Ich will schlicht…«
    »… die Bilder der Überwachungskameras sehen, schon klar«, fiel Thierry ihm brummend ins Wort. »Und: schon okay. Ich hätte mich ebenfalls ein wenig freundlicher verhalten können. Diese Scheißsituation… Sie raubt mir wohl meine gottgegebene Coolness.« Er schmunzelte. »Schwamm drüber?«
    Robin erwiderte das Schmunzeln. »Schwamm drüber.«
    »Hervorragend. Jetzt, da das geklärt ist, brauchen wir nur noch ein technisches Wunder, und schon kann's losgehen.« Abermals schlug der Stationsaufseher von Cité mit der Faust auf den mit beigefarbenem Plastik ummantelten Monitor, der aussah, als sei er aus den frühen achtziger Jahren in die Gegenwart katapultiert worden. Und das Gerät erwachte flackernd zu neuem Leben. » Et voilá - ein Wunder. Wie bestellt.«
    Für einen kurzen, absurden Moment fragte er sich, warum der Zufall nicht auch bei den Wiederbelebungsversuchen des Alten so gnädig gewesen war. Eric Zann, wie der Verstorbene laut den Behörden hieß, war schon tot gewesen, als Thierry und die Mediziner eintrafen, und kein versuchtes Wunder dieser Erde hatte daran noch etwas ändern können. Die schiere Menge an Wunden, Knochenbrüchen und inneren Verletzungen hatte dafür Sorge getragen.
    Und Schuld daran war die Kleine dort.
    Thierry beobachtete schweigend, wie sich der Kampf, der vor gut einer Stunde auf dem Bahnsteig wenige Dutzend Meter von seinem Büro entfernt gewütet hatte, auf dem Bildschirm wiederholte. Da war der Geiger, Zann, der trotz Mangels an Publikum seiner Arbeit nachging und fiedelte, was das Zeug hielt. Sein Kopf war geneigt, seine Augen waren geschlossen - ganz so, als sei er nur körperlich anwesend und in Gedanken bei seiner Musik.
    »Ton gibt's nicht?«
    »Leider nein«, beantwortete Thierry die Frage seines Besuchers. »Die Mikros sind beantragt. Um ehrlich zu sein, sind sie das seit 1986. Vielleicht kommen sie ja bald.« Er musste Robin nicht ansehen, um zu wissen, dass der Chefinspektor den Spott in seiner Stimme registriert hatte. »Wir sind hier nicht so schnell, was Fortschritt angeht.«
    »Ist ja auch nur die Hauptstadt der Grande Nation .«
    Thierry lachte. »Ganz genau.« Wie es schien, hatte auch Robin so seine Erfahrungen mit den Hürden und Idiotien der Bürokratie gemacht. Er wusste, wovon er sprach. Hab dich falsch eingeschätzt, Alter. Ma faute.
    Dann kam die Kleine. Sie war nicht sonderlich groß und von durchschnittlicher, eher schlanker Statur. Ihr Haar war sorgsam

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