0949 - Die geronnene Zeit
Quelle.
***
»Hier! Fang!«
Der goldene Kelch? Was sollte Rhett denn damit? Warum warf Dylan ihm ausgerechnet dieses blöde Ding zu?
Instinktiv fing der Erbfolger ihn dennoch auf. Kaum hatten sich beide Hände um das Gefäß gelegt, kribbelte es kurz in Rhetts Fingern - und er hielt ein Schwert umklammert.
»Ha!«, schrie er.
Dann fuhr er herum. Das unförmige Monster, das einmal Steigner gewesen war, watete auf ihn zu. Das Dunkel im Teich hatte sich um ihn herum konzentriert und er zog es hinter sich her wie einen Ölteppich. Es wand sich an seinem missgestalteten Körper hoch, kroch ihm in den Mund und nahm dabei immer mehr vom Quellwasser mit. Gelegentlich blieb er stehen und rülpste eine Rauchsäule in den Himmel. Dann gelangte er ans Ufer.
Rhett hob das Schwert mit beiden Händen. Ein wenig fühlte er sich wie Conan. Oder in Ermangelung der Muskeln wie Aragorn aus Herr der Ringe . Doch das hier war kein Fantasy-Film. Das war die bittere Wirklichkeit. Und in dieser war so ein Schwert verdammt viel schwerer, als es im Kino aussah.
Er ging auf das Steigner-Monster zu, bis er glaubte, es in Schlagweite zu haben. Dann ließ er die Klinge niedersausen.
Mit einer kleinen, unscheinbaren Bewegung wich das Monster aus. Die Schwertklinge schepperte auf einen Fels und kratzte darüber hinweg. Durch den Schwung geriet Rhett ins Taumeln. Mit Mühe konnte er verhindern, das Gleichgewicht zu verlieren.
Er riss das Schwert zurück und holte erneut aus. Diesmal ein waagrechter Streich. Dem konnte man nicht so leicht ausweichen.
Steigner konnte es trotzdem.
Die Spitze ritzte zwar über seinen Leib und schnitt ihm in die Haut. Doch nicht tief genug, dass die Verletzung das Monster behinderte. Aus der Wunde drang lediglich eine schwarze, glibberige Flüssigkeit, die genauso gut das Dunkel wie Dämonenblut sein konnte.
Wieder riss der Schwung Rhett beinahe von den Füßen.
Das Monster nutzte das Taumeln des Erbfolgers aus und kam näher. Es breitete die Arme aus, bereit Rhett zu umarmen und zu einem weiteren Diener des Dunkels zu machen.
Im letzten Augenblick bekam der Erbfolger sich unter Kontrolle, wuchtete das Schwert hoch und stach zu. Und diesmal konnte er nicht verfehlen!
Er rammte dem Dunkelsklaven die Klinge dorthin, wo einst Steigners Bauch gewesen war.
»Ha!«, schrie er wieder. Ihm lag sogar so etwas Dämliches wie Nimm dies auf den Lippen.
Die Wucht des Stichs hielt das Monster tatsächlich auf, doch mehr geschah nicht. Die Klinge drang in das dämonisch verseuchte Fleisch ein und trat am Rücken wieder aus.
Im gleichen Augenblick brach die Haut an anderen Stellen auf und schwarze Fäden schossen hervor. Sie glitten am Metall des Schwertes entlang. Auf Rhett zu.
Der zerrte hastig am Griff, wollte die Waffe befreien. Auch wenn er sich eingestehen musste, dass sie ihm gegen Steigner wohl nichts helfen würde.
Die schwarzen Fäden dehnten sich wie Gummibänder. Sie wollten nicht zulassen, das Rhett das Schwert zurückbekam. Er war so darauf konzentriert, die Klinge aus dem Dämonenleib zu zerren, dass er nicht bemerkte, wie das Monster den Mund öffnete. Erst im letzten Augenblick sah er einen schwarz glänzenden Wurm daraus hervorschießen.
Er ließ den Schwertgriff los und warf sich zur Seite. Er fühlte noch den Lufthauch, als der Wurm an ihm vorbeizischte.
Rhett sprang auf. Kaum war er wieder auf den Beinen, hörte er hinter sich eine Stimme.
Dylan!
»Runter!«
Der Erbfolger gehorchte und fiel in sich zusammen. Er rollte sich ab und sah nur wenige Meter hinter sich den Schotten. Er trug plötzlich einen Ledermantel, wie ihn vorhin noch McCain anhatte.
Dylan schlenkerte den Arm von unten nach oben und ein Ball aus wimmelndem Schwarz schoss hervor. Er jagte auf Steigner zu. Der wollte ausweichen, doch der Ball folgte seiner Bewegung.
Der Tattooreif , zuckte es Rhett durch den Kopf.
Die magische Entladung schlug in den Dämonenkörper. Der Ball platzte und hüllte sein Opfer in pulsierende, schwarze Stränge ein.
Die Steigner-Kreatur stieß einen gellenden Schrei aus, der jedoch langsam verwehte. So, als brülle er zwar weiter, entferne sich aber von Rhett. Schlussendlich verstummte er ganz, stattdessen erklang das Geräusch des auf den Boden fallenden Schwerts. Die Stränge zogen sich immer enger zusammen, schnürten das Monster ein und schnitten durch sein Fleisch.
Schließlich zerbarsten Steigner und sein Gefängnis in einer lautlosen Explosion. Schwarze Funken stoben in alle Richtungen
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