0949 - Die geronnene Zeit
hatte verloren.
Selbst wenn Zamorra einen Weg hierher finden würde, käme er zu spät.
***
»O Kacke!«, stöhnte Dylan auf.
Zamorra hielt diese Aussage noch für untertrieben. Denn das Bild, das sich ihnen bot, raubte ihm den Atem.
Am Ufer der Quelle kniete ein unförmiges Monster, gewandet in die Reste menschlicher Kleidung. Schwärende Pusteln bedeckten seine Haut, und wenn sie platzten, rann eine ölige Flüssigkeit daraus hervor, die einen fürchterlichen Gestank absonderte. Auf dem unförmigen, von einem Netz dunkler Adern überzogenen Kopf wuchs nur noch dünnes Haar, das in alle Himmelsrichtungen abstand.
»Was ist das?«, hauchte Dylan.
»Ich schätze, wir haben Steigner gefunden«, erwiderte Rhett.
Daneben kauerte Matlock McCain. Auch er nur noch ein Schatten seiner selbst. Er wirkte, als müsse er sich von unglaublichen Anstrengungen erholen.
In einigen Metern Abstand stand die Hüterin der Quelle am Ufer des Teichs. Ein Schwert in der Hand, aber absolut regungslos.
Das Steigner-Monster trank von dem bis auf wenige Stellen pechschwarzen Tümpel und würgte anschließend eine Rauchsäule zum Himmel, wo sie sich mit der Wolke vereinte und sie speiste. Danach trank er sofort wieder.
Ein schwarzer Tropfen klatschte zwischen Rhett und Dylan auf den Boden. Im gleichen Augenblick kroch er mit der Geschwindigkeit einer Spinne auf Dylan zu.
Angriff , befahl Zamorra dem Amulett. Ein silbern schimmernder Blitz löste sich aus dem Zentrum von Merlins Stern und hieb in das finstere Ding. Mitten in der Bewegung erstarrte es, als sei es ausgetrocknet. Dann, von einem Augenblick auf den nächsten, verdampfte es.
Sie sahen nach oben. Ein Ausläufer der Wolke hatte sich über sie geschoben. Weitere Tropfen lösten sich und fielen ihnen entgegen.
Mist! , dachte Zamorra. Wie soll ich das nur aushalten? Aber es geht nicht anders.
»Zusammenrücken!«, befahl er.
Ohne Fragen zu stellen, eilten Rhett und Dylan auf den Meister des Übersinnlichen zu. Der nahm die beiden an den Händen und errichtete den Schutzschirm des Amuletts um die gesamte Gruppe.
Keinen Augenblick zu früh!
Ein schwarzer Schauer ging auf sie herab, prasselte auf das grünliche Wabern ein und verdampfte. Jeden Einschlag spürte Zamorra als Stich im Kopf.
»Los, zur Quelle!«
Er wusste nicht, wie lange er den Schirm aufrechterhalten konnte. Die Tropfen waren gefährlich, aber nicht besonders stark. In Vollbesitz seiner Kräfte hätte er vermutlich stundenlang durch Dunkelregen spazieren können, ohne an sein Limit zu gelangen. Doch im Körper eines alten Mannes, der sich anfühlte wie der eines noch viel älteren Mannes?
Als sie losrannten, stach ihm ein scharfer Schmerz durchs Knie, doch er versuchte, ihn nach Kräften zu ignorieren.
»Aufhören, Steigner!«, plärrten Dylan und Rhett wie aus einer Kehle.
Zu ihrer Überraschung regnete die Wolke direkt über der Quelle keine Splitter der bösen Erbfolgerseele herab. Vielleicht konnte sie das in unmittelbarer Nähe der Rauchsäule nicht.
Ihnen sollte es egal sein. So benötigten sie am Teich wenigstens den Schutzschirm nicht.
McCain hob den Kopf und blickte ihnen entgegen. Jegliche Spannung war aus seinem Leib verschwunden. Auch wenn er sich körperlich nicht verändert hatte, wirkte er erschöpft. Er lächelte sie an, sodass sie seine Vampirzähne erkennen konnten.
»Zu spät, Zamorra«, keuchte er. »Zu spät.«
»Das werden wir noch sehen!« Doch dem Professor war klar, dass der Druidenvampir recht hatte.
Das Steigner-Monster jedoch reagierte nicht. Ohne Unterlass schwächte er die Quelle und stärkte das Dunkel.
McCain rappelte sich auf.
Als sie den Teich erreicht hatten, ließ Zamorra den Schutzschirm erlöschen. Ihre Hände lösten sich voneinander. Als ob sie schon seit Jahren ein eingespieltes Team wären, trennten sie sich und widmeten sich verschiedenen Zielen.
***
Rhett hetzte zu Steigner, der weiterhin völlig unbeeindruckt von der Quelle trank. Aus vollem Lauf trat der Erbfolger ihm in die Seite und stieß ihn ins Wasser. Das sollte das Monster zumindest für den Moment aufhalten.
Der Erbfolger wollte hinterher, selbst in den Teich steigen und den Kampf aufnehmen. Im letzten Augenblick zuckte er zurück, denn das Dunkel baute sich vor ihm auf wie eine Mauer. Wie eine amorphe Gestalt erhob sie sich aus dem Wasser und griff nach Rhett.
Hastig wich er einen Schritt zurück. Aus der Gefahrenzone.
Auch Steigner tauchte wieder auf und Rhett erkannte, dass er einen
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