095 - Ruine der Kopflosen
gesehen, und das kam mir komisch vor. Sie
müssen wie von Sinnen den Pfad herabgefahren sein. Das Vorderrad ist böse
ramponiert. Fühlen Sie sich morgens immer so aktiv, daß Sie wie wild durch die
Gegend radeln?“ Die Frage klang lustig aus Larrys Mund. Auf der unteren Straße
hatte er seinen Wagen abgestellt, um hier nach dem Rechten zu sehen.
Er
behandelte die Schürfwunden des Verletzten, dessen Hände und Arme damit übersät
waren. Das Gesicht war besonders betroffen. „Sieht gerade so aus, als läge Ihr
Unfall schon einige Stunden zurück.“
Rolf
Weber nickte. „Es war nicht heute morgen, es muß heute nacht passiert sein. So
etwa um zwölf.“
„Wissen
Sie, wie spät es jetzt ist?“ fragte X-RAY-3, während er seinen Verbandskasten
zuklappte.
„Keine
Ahnung.“
„Neun
Uhr! Demnach hätten Sie mehr als acht Stunden hier gelegen. Sie haben noch mal
Glück gehabt. Es hätte auch schlimmer ausgehen können. Sie hätten sich das
Genick brechen können, wissen Sie das? Einen solchen Weg fährt man nicht mit
dem Rad, den läuft man!“
„Das
ist einfach gesagt. Was ich erlebt habe, da konnte ich nicht anders, als mich
so schnell wie möglich aus dem Staub zu machen.“ Es sprudelte wie ein
Wasserfall aus ihm heraus.
„Wovor
sind Sie geflohen?“
„Nichts,
es war nichts“, antwortete Rolf Weber schnell. Er fuhr sich über die Stirn,
während Larry ihm dabei behilflich war, auf die Beine zu kommen. „Ich… wir
hatten zuviel getrunken“, setzte er nach. Das sollte überzeugend klingen, aber
es war vergeblich.
Der
PSA-Agent ließ den Blick in die Runde schweifen, und er registrierte, daß der
Verletzte noch recht schwach auf den Beinen stand.
Ging
der Unfall wirklich auf Trunkenheit zurück?
Als
sich Larry Brent rührend um Rolf kümmerte, fühlte sich dieser veranlaßt, seine
erste Aussage zu revidieren. Ihm tat die Nähe dieses Mannes wohl, und der
Wunsch, über alles zu sprechen, was er in der letzten Nacht erlebt hatte, wurde
in ihm wach.
„Wir
wurden überfallen, glaube ich“, berichtigte er sich.
Larrys
Menschenkenntnis sagte ihm, daß der junge Mann etwas sagen wollte, sich aber
nicht getraute. „Wer ist wir?“
„Mein
Freund Burt und ich.“ Rolf Weber fuhr sich durch die Haare. Sein Blick wurde
unstet. „Ich war unterwegs, um die Polizei zu holen, da ist das dann passiert.“
Er zeigte auf das Fahrrad, das nicht mehr zu gebrauchen war. Das Vorderrad sah
aus, als hätte jemand einen Knoten hineingemacht.
„Wo
ist Ihr Freund Burt jetzt?“
„Keine
Ahnung! Vielleicht war alles nur ein Traum - ein böser Traum, Mister
Brent! Entschuldigen Sie, wenn ich so konfus daherrede. Ich weiß selbst nicht,
was ich davon halten soll. Vielleicht müßten wir mal nach dem Rechten sehen.“
„Einverstanden!“
●
Rolf
Weber torkelte ein bißchen, und Larry stützte ihn. Auf dem Weg machte der
Deutsche erste Andeutungen über die gespenstische Erscheinung der vergangenen
Nacht. Er sprach von der schwarzen Mauer, von den beiden Degenfechtern und
berichtete auch von dem Verlust des Kopfes eines der Kämpfer. Aber von
Burt Taylor sagte er nichts.
Im
Lager angekommen, schauten sie zuerst in das Zelt. Aber schon beim Betreten des
Lagerplatzes konnten sie sehen, daß sich dort niemand aufhielt.
Auch
von der geheimnisvollen Burg, welche die beiden Freunde in der Nacht gesehen
haben wollten, standen nur noch ein paar armselige Mauerreste - eine Ruine aus
alter Zeit, verwittert, moos- und grasüberwachsen.
„Hier
war es“, behauptete Rolf mit fester Stimme und deutete auf den Torbogen, der
halbzerfallen neben dem alten Turmrest hing und durch den man in den
verwilderten Innenhof gelangte. „Dort waren keine Steine, kein Gras. Alles war
sauber, als wäre der Hof eben erst gefegt worden. Über große, unebene
Steinplatten sind wir gegangen. Hier…“ Sie folgten demselben Weg. „… ist der
Eingang in den Rittersaal gewesen.“
X-RAY-3
hörte sich alles genau an, sagte aber zunächst nichts. Die Geschichte war
ungeheuerlich, aber er war nicht der Mann, der Ungewöhnliches sofort mit Bausch
und Bogen ablehnte. Im Gegenteil! Er fühlte sich veranlaßt, der Sache
nachzugehen.
„Hier
ist der Eingang in den Saal gewesen, in den Burt lief, als wir das Klirren der
Degen vernahmen.“
Doch
hier war keine Treppe oder Mauer. Blau spannte sich der Himmel über ihnen und
das stellenweise schilfähnliche, mannshohe Gras spottete den Worten des jungen
Deutschen hohn. Hierhin hatte seit
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