0952 - Dr. Sensenmann
den Waden klebten die kleinen Perlen. Der Nacken war feucht, und auf dem Kissen unter dem Kopf schien sich eine Lache gebildet zu haben.
Das Zimmer war dasselbe geblieben, doch seine Phantasie gaukelte ihm Dinge vor, die es nicht gab. Da bewegte sich plötzlich die Toilette und schwebte lautlos in die Höhe. Die Bilder mit den nackten Mädchen wurden ebenfalls lebendig. Die Busenschönheiten lösten sich und schwebten wie Engel ohne Flügel durch den Raum.
Es war schlimm geworden, viel schlimmer als sonst. In der letzten Nacht wollten ihn die anderen Kräfte noch einmal fertigmachen, so kam es ihm vor.
Aber er riß sich zusammen. Trotz der bohrenden Angst, trotz des Schweißes auf seinem Körper, und Ferrano schaffte es, den Blick genau auf das Fenster gerichtet zu halten, denn alles andere war nur eine nebensächliche Ablenkung.
Noch tat sich dort nichts. Aber es würde kommen. Es würde erscheinen, denn es hatte auf ihn gewartet.
Dunkelheit preßte sich gegen die Scheibe. In regelmäßigen Intervallen huschte der helle Schatten des Suchscheinwerfers vorbei und gab dem Fenster ein anderes Aussehen.
Heller, sogar viel heller!
Nein, das war nicht mehr der Suchscheinwerfer, denn die andere Helligkeit war er, sein Gast, sein unheimlicher Besucher, und der Grund seiner Angst.
Dr. Sensenmann war gekommen!
***
So hatte Mickey Ferrano ihn getauft, so und nicht anders. Und er hatte recht damit.
Er wußte nicht, ob dieser Dr. Sensenmann ein dreidimensionales Wesen war. Er konnte alles sein. Ein Besucher von einem anderen Stern, ein Geist, vielleicht ein Wesen, das aus dem Jenseits gekommen war, um schreckliche Rache zu üben.
Befand er sich in der Zelle?
Obwohl Mickey genau hinschaute, konnte er nicht feststellen, ob sich der Unheimliche nun innerhalb oder außerhalb der Zelle aufhielt oder etwa als fluoreszierender Geist inmitten des Mauerwerks steckte. Zumindest sah er aus wie immer und hatte sich auch am letzten Tag nicht verändert. Warum auch hätte er das tun sollen?
Ferrano reagierte ebenfalls wie immer. Er blieb starr liegen, lauschte dabei in sich hinein und merkte, daß seine Angst vor dieser Gestalt des Schreckens wuchs. Eigentlich hätte sie in ein Gruselkabinett oder in eine Geisterbahn gehört, darüber hätte man dann lachen können. Aber Ferrano wußte genau, daß sie echt war, ein richtiger Spuk aus dem Jenseits, der ihn allein verfolgte.
Es war ein Skelett, ja, tatsächlich ein Skelett, auch wenn er nur einen kleinen Ausschnitt der Gestalt sah. Der aber reichte ihm, denn Ferrano schaute gegen große, leere Augenhöhlen, gegen ein Loch, wo einmal eine Nase gewesen war, und gegen den Ansatz einer breiten Stirn. Der Rest des Kopfes, Maul und Kinn eingeschlossen, lag unter zwei Tüchern verborgen. Das eine spannte sich um den Schädel, das andere um die Mundpartie.
Ansonsten trug die Horrorgestalt einen Kittel, wie ihn ein Krankenhausarzt überstreifte. Grüner Stoff, am Rücken zugeknöpft.
Er war wieder da.
Der Grund seiner bohrenden Angst hatte sich gezeigt. Er hatte es gewußt, denn dieser verdammte Sensenmann im Arztkittel erschien nicht zum erstenmal.
Das war sein Alptraum, das war seine Angst. Das war der Horror, der die große Kälte brachte.
Der Geist eines Arztes als Skelett?
Es gab für Mickey keine andere Erklärung, auch wenn er sie als irrational ansah. Ferrano schließlich hatte einen Arzt umgebracht. Wegen dieser Tat war er verurteilt worden, und nun verfolgte ihn der Geist des Toten.
Ferrano konnte nicht daran glauben, daß dies mit seiner Entlassung vorbei sein würde. Er hätte es sich gewünscht, aber dieser andere war sicherlich noch nicht zu seinem Ziel gekommen. Er würde ihm immer auf den Fersen bleiben.
Befand er sich schon in der Zelle? Herausfinden konnte Mickey es nicht. Da bildeten die Scheibe, die Wand und auch die Zelle eine Einheit, und in sie hinein war die Gestalt getaucht.
Sie bewegte sich nach vorn. Es entstand kein Geräusch. Alles lief in einer völligen Lautlosigkeit ab, und Ferrano blieb starr auf seinem Bett liegen. Die Tür war geschlossen. Er konnte nicht fliehen. Und niemand hätte ihm geglaubt, daß er von einem geisterhaften Skelett im Arztkittel verfolgt wurde.
Und so blieb er liegen - wie letzte Nacht und in all den anderen zuvor.
Der Sensenmann kam.
Mickey hatte ihn so genannt.
Dr. Sensenmann!
Es stimmte zwar nicht mit seinen offiziellen Aussagen überein, aber Ferrano verband den Tod irgendwie mit dieser knöchernen Gestalt, auch wenn
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