0953 - Der Vampirwolf
sich kaum abgekühlt. Der Regen war einfach zu warm gewesen.
Nur mühsam konnte der alte Mann atmen. Er hatte mit der extrem feuchten Luft Schwierigkeiten, aber es war nichts in der Nähe, wo er sich hätte abstützen können.
Erst das Gitter an der Tür bot ihm den nötigen Halt. Seine Hände umklammerten die Stäbe. Auch hinter dem Gitter war es dunkel. Trotzdem sah er die große Holzkiste. Sie hielt manchem Druck von innen und auch außen stand. Zudem sicherten schwere Eisenschlösser den Deckel.
Er konnte sich körperlich erholen. Nicht aber innerlich. Der alte Mann starrte durch die Gitterstäbe auf den Deckel der Kiste. Er wußte, was sich in dem Behältnis befand. Derjenige, der darin lag, schien zu wissen, daß sich ein Mensch seinem Gefängnis genähert hatte, denn er gab Laute von sich.
Der Pope zuckte zusammen, als er plötzlich das Knurren und Jaulen hörte. Beide Laute mischten sich zu einem neuen, unheimlichen Ton, der bei dem alten Mann einen Schauer hinterließ.
Er stöhnte. Seine Hände umklammerten die Stäbe noch härter. Die alten Lippen zitterten, als sie sich bewegten. »Du bist gefangen, Unhold. Du wirst gefangen bleiben, und wir werden dich gemeinsam begraben, das schwöre ich. Du bist ein Geschöpf der Hölle, und ich hasse diese Wesen. Wir alle hassen sie, und niemand wird stärker sein als die Macht des Allmächtigen!« Er hatte gegen den Deckel der Kiste gesprochen und spie zum Abschluß auf sie.
Der Inhalt war still.
Kein Heulen mehr, kein Knurren. Ein lauerndes Abwarten, wie es dem Popen vorkam, der nun unter seinen Umhang griff und die Weihwasserkugel hervorholte. Er murmelte Gebete und schwang die Kugel hin und her.
Flecken blieben auf dem Holz zurück. In der Kiste regte sich nichts. Keine Geräusche mehr, kein Knurren, keine Wut und kein Haß. Samescu war vorerst zufrieden. Er hoffte, daß die Bestie gespürt hatte, daß sie bekämpft wurde. Sie würde immer in dieser Kiste bleiben, denn sie würde versiegelt werden. Dafür wollte Dragon sorgen.
Er bückte sich. In seiner knienden Haltung konnte er besser gegen die Seiten der Kisten spritzen, wo sich noch Lücken zeigten. Da waren die einzelnen Teile nicht zu dicht zusammengepreßt, und er hoffte, daß einige Tropfen den Weg in die Kiste fanden.
Das Knurren klang wütender.
Er spritzte weiter und keuchte die folgenden Worte regelrecht. Seine alten Augen bekamen Glanz, als er das leicht schrill klingende Jaulen vernahm. Ein Beweis für ihn, daß er die Bestie erwischt hatte.
Es tat ihm auf seine alten Tag gut. Schon immer hatte er gegen das Böse in der Welt gekämpft, aber es war ihm nicht gelungen, es aufzuhalten. Immer wieder war es aus dem schützenden Schatten hervor in die Welt getreten, um unter den Menschen Unheil zu verbreiten. Das sollte in dieser Nacht aufhören, ein für allemal!
Natürlich wußte auch Samescu, daß er damit nur einen winzigen Erfolg errungen hatte. Dieses Land war wunderbar. Man mußte es lieben, man konnte es aber auch hassen, denn böse Geschöpfe hatten es sich als Sprungbrett ausgesucht, und dabei kamen den unheimlichen Mächten die dunklen Wälder, die einsamen Dörfer und auch die verschiedenen Kulturen, die sich hier zusammengefunden hatten, zu Hilfe.
Die Menschen hatten ihre eigenen Geschichten, Sagen und Legenden mitgebracht. Da vermischten sich die Geschichten mit denen der Einheimischen, aber das Prinzip von Gut und Böse blieb immer gleich.
Der alte Pope seufzte, als er daran dachte. Gut und Böse - er glaubte daran, aber er konnte sehen, daß das Gute immer weiter zurückgedrängt wurde. Nirgendwo war man sicher, nicht mal in der Kirche, denn es hatte sich herumgesprochen, daß zahlreiche Kirchen von plündernden Horden niedergebrannt waren.
An den Stäben zog sich Dragan hoch. Er stöhnte jetzt, er wollte die Kiste nicht mehr sehen. Zu lange hatte sie schon hier gestanden. Böses lockte Böses an, das wußte er. Aber wegen des starken Regens hatten sie kein Loch graben können. Es wäre sofort überschwemmt gewesen.
Jetzt aber ging es.
Und seine Helfer waren bereit.
Ihre Stimmen hörte er nicht, doch als er sich drehte, sah er den Schein einer Fackel. Wie ein Licht der Hoffnung geisterte es durch den Nebel, zerrann im Dunst, aber es bewegte sich trotzdem auf den Popen zu, der nun zufrieden sein konnte.
Er lächelte zum erstenmal seit langem. Mit einer Hand wischte er über seine feuchte Haut im Gesicht, trat einige Schritte von der Hütte weg und wartete.
Zum Glück
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