0953 - Der Vampirwolf
jemanden zu verscharren, der nicht in die Welt der Menschen hineingehörte, weil er nur Unglück und Grauen brachte.
Die vier Helfer hatten weder ein Pferd noch einen Esel mitgebracht. Sie würden den Karren selbst ziehen. Auch wenn der Boden schlammig und zäh war, zu viert konnten sie es schaffen, zudem war der Weg nicht sehr weit. Zwei schoben, zwei zogen. Es war etwas mühsam, in dem tiefen Schlamm den alten Karren in Bewegung zu setzen. Aber die vier jungen Leute waren stark. Sie keuchten zwar, aber die Räder bewegten sich.
Der Pope ging neben dem Wagen her. Er hielt den Kopf gesenkt wie jemand, der in Gebete versunken ist. So war es bei ihm auch. Er flüsterte die Worte der alten Gebete vor sich hin, während er in seinem Körper ein Ziehen spürte, was kein gutes Zeichen war. Er kannte sich und seine Reaktionen.
Irgendwann war es vorbei. Die Zeit drängte, sie kam näher und immer näher. Es war das Ende, aber er wollte zuerst erleben, wie die Bestie in der Erde versenkt wurde.
Sie schoben den Wagen mit der Kiste durch den kleinen Ort. Windschiefe Häuser standen zu beiden Seiten einer schlammigen Straße. Sie lagen zumeist im Dunkel der Nacht verborgen. Nur hin und wieder leuchtete ein einsames Talglicht wie ein trübes Glutauge durch die offenen Fenster.
Die Bewohner wußten Bescheid, was die vier mutigen jungen Männer und der Pope vorhatten. Es zeigte sich niemand im Freien. Sie hielten sich versteckt, beobachteten heimlich, und nicht wenige schlugen Kreuzzeichen, wenn die böse Fracht ihr Haus passierte.
Auch die Straße hatte sich in ein zähes Schlammfeld verwandelt. Das dunkle Zeug griff zu, als wollte es die Räder blockieren, und manchmal geriet der Karren bei Unebenheiten im Boden heftig ins Schwanken.
Dann rutschte auch die Kiste hin und her. Sie schlug gegen die Gitter an den Seiten, aber sie durchbrach diese nicht.
Sie kämpften sich weiter.
Der Dunst blieb. Er hüllte sie in seine grauen Gewänder ein. Er trieb auch an den Fronten der Häuser entlang und ließ sie so aussehen, als wollte er sie auflösen.
Irgendwo in der Ferne ertönte ein klagender Laut.
Uuuuuhhh…
Der Totenvogel schrie!
Die vier Helfer hielten für einen Moment inne, als sie den Laut hörten. Sie alle waren abergläubisch.
Sie wußten, was der Schrei zu bedeuten hatte. Einer sprach es aus. »Der Sensenmann ist unterwegs. Der Tod wird uns erreichen…«
Die anderen nickten.
Nur der alte Pope blieb gelassen. »Fahrt weiter. Es war nur ein Kauz aus den Wäldern.«
»Aber man nennt ihn Totenvogel«, sagte der Fackelträger. Er war um die Zwanzig und trug einen Vollbart.
»Das weiß ich. Es mag auch hin und wieder seine Berechtigung haben, aber wie oft habt ihr ihn gehört, ohne daß etwas passiert ist? Wie oft? Sagt es mir!«
»Ist schon gut«, wurde Dragan Samescu geantwortet. Dann machten sich die Männer wieder an ihre Arbeit.
Mühsam bewegten sie den Wagen weiter. Es wäre besser gewesen, hätte sich der Friedhof nahe der kleinen Kirche befunden. So aber mußten sie das gesamte Dorf durchqueren und an seinem Ende nach rechts hin abweichen, um ihn zu erreichen.
Er lag dort, wo kein Haus stand.
Aber es gab die hohen Bäume, die ihn beschützten. Kiefern und Buchen wuchsen hier zusammen und bildeten an der Rückseite des Friedhofs einen offenen Ring.
Es gab Zeiten, da leuchteten auf den alten Gräbern kleine Lampen. In dieser Nacht allerdings lag das Areal eingepackt in die tiefste aller Dunkelheiten.
Die Räder des Wagens rollten durch unterschiedlich hohe Pfützen. Der Boden hier war kaum planiert worden, deshalb mußten sich die Männer anstrengen, um das Fahrzeug durch diese Hindernisse zu schieben. Aber sie schafften es, und sie erreichten auch den Friedhof, den der Regen ebenfalls nicht verschont hatte.
Der Boden war stark aufgeweicht. Manche der Gräber sahen aus, als hätten sie weggeschwemmt werden sollen. Der Regen hatte ihre Oberfläche regelrecht aufgeweicht, und die Männer konnten vor Glück sagen, daß ihr geschaufeltes Grab mit einer Plane und Holzlatten abgedeckt worden war.
Grabsteine wirkten wie alte und müde Gespenster. Der Nebel zog seine Kreise über den Friedhof hinweg, und selbst der Pope zuckte zusammen, als er wieder den klagenden Schrei des Käuzchens hörte. Der Vogel mußte über ihnen in einem der Bäume sitzen, und sie schauten unwillkürlich hoch, aber dort tat sich nichts.
»Weiter!« drängte der Pope. »Wir haben es gleich geschafft.« Er selbst fühlte sich jetzt
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