0959 - Asmodis’ Hölle
gelten könnte, schloss er sofort aus. Eugenia war nicht Peters Kragenweite, dazu war der zu unscheinbar. Er selbst jedoch war mit seinem kurzen schwarzen Locken und dem muskulösen, sportlichen Körper ein Mann, auf den auch Frauen wie Eugenia abfuhren. War es das, warum sie Eugenia hierher eingeladen und es so geheimnisvoll und eilig gemacht hatte? Warum dann aber auch Peter und nicht nur ihn?
Mit einem anderen Wassertaxi fuhren die drei durch das Kanalgewirr in den Stadtteil Dorsoduro. Dort wohnte Eugenia in der Nähe der Chiesa dell'Angelo Raffaele in einer gemütlich eingerichteten Wohnung im zweiten Stock mit Balkon direkt über dem Rio di San Sebastiano . Eugenia hatte ein Schlafzimmer mit Doppelbett für ihre Gäste hergerichtet.
Und etwas zu essen. Tom und Peter fielen heißhungrig über das Risotto nero diavolo mit Tintenfisch her und schlürften etwas Weißwein dazu.
»Jetzt hast du uns lange genug auf die Folter gespannt, Eugenia«, befand Tom, nachdem er die letzten Reste im Teller zusammengekratzt hatte und sich nun im Sessel zurücklehnte, einigermaßen enttäuscht, dass Eugenia ihre verheißungsvollen Blicke nicht wiederholt hatte. »Warum wolltest du uns so dringend hier sehen?«
»Vitale Michiel.«
»Aha«, erwiderte Peter etwas ratlos. »Wer soll das sein? Ein Freund von dir?«
Eugenia kicherte. »Nicht direkt. Aber er könnte es werden. Mal sehen.«
Tom spürte Eifersucht in sich hochsteigen. »Wegen so einem Scheiß hast du uns ja wohl nicht hergeholt«, sagte er schärfer als beabsichtigt.
Eugenia, die neben ihm saß, lächelte ihn an und fuhr mit dem Zeigefinger ganz kurz seinen Oberschenkel entlang. Es durchfuhr ihn wie ein elektrischer Schlag.
»Kommt einfach mal mit, ich zeige euch etwas.« Die Italienerin führte ihre Gäste in ein Nebenzimmer, das gemütlich und hübsch eingerichtet war. An einer Wand zwischen zwei Vitrinen, die venezianische Karnevalsmasken enthielten, lehnte ein etwa ein Meter hoher flacher Stein, oben halbrund und mit eingemeißelten Schriftzeichen und Bildern versehen. Sie stellte sich daneben.
Während Tom versuchte, sich direkt hinter die Frau zu drücken und Körperberührung herzustellen, beugte sich Peter hinunter und fuhr mit der flachen Hand darüber.
»Ist das ein Grabstein?«
Eugenia, die ihre flache Hand währenddessen wie unabsichtlich über Toms Schoß gleiten ließ und damit eine Totalverkrampfung bei ihm auslöste, nickte. »Ein Grabstein, ja. Wisst ihr, mein Vater ist Architekt und baut die Raffaelskirche um die Ecke gerade um, weil sie von unten her gestützt werden muss. Sie ist uralt und hat geheimnisvolle ziemlich weitläufige Gewölbe. Beim Abreißen einer brüchigen Steinwand in einem dieser Gewölbe kam plötzlich ein kleiner Raum hervor. Dieser Stein war drin und sonst gar nichts. Er muss seit Jahrhunderten dort gestanden haben.«
»Ach, tatsächlich?« Peter kniete nun hin und streichelte fast ehrfürchtig mit dem Finger über die altertümlichen Buchstaben. »Ich kann nichts entziffern. Kannst du das, Eugenia?«
»Ja. Auf dem Stein wird ein Vorfall wiedergegeben, der sich 1503 in der Lagune von Venedig ereignet hat. Damals gab es alle möglichen Piraten auf den sieben Weltmeeren. Legale und illegale. Vitale Michiel, genannt der Schwarze Tod, maltesischer Ordensritter, war ein legaler. Die Republik Venedig hatte ihn mit einem Kaperbrief ausgestattet und er hat in ihrem Auftrag fremde Schiffe überfallen und ausgeraubt.«
»Aha«, erwiderte Tom und bewies damit, dass sein Gehirn teilweise doch noch arbeitete. »Dann ist das da wohl der Grabstein von diesem seltsamen Schwarzen Tod.«
»Eher nicht. Wenn ihr mich fragt, ist es der Grabstein von Raphainus.«
»Ach so, der.« Peter schaute nach oben und grinste.
Eugenia ging nun in die Knie und fixierte den Stein ebenfalls. »Jetzt macht doch mal langsam, Jungs. Ich erzähl euch ja alles. Es gibt zahlreiche Geschichten und Legenden über Vitale Michiel und seine Rote Hexe hier in Venedig. Man sagt, dass er ein überaus grausamer Pirat gewesen sein soll, der sogar mit den Höllenmächten im Bunde war. Teufelspakt und so. Mithilfe des Teufels sollen Michiel und die Hexe tonnenweise Gold, Schmuck, Geldmünzen und andere Schätze in seinem Schiff STYGIA gebunkert und sie so dem venezianischen Dogen unterschlagen haben. Fragt mich bloß nicht, wie der geheißen hat. Trotz dieser schweren Last konnte sich die STYGIA immer noch leicht und schnell bewegen, da der Teufel für den richtigen
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