0959 - Asmodis’ Hölle
sie durch meine Schuld nicht mehr gibt, hat nun das Gute in einem ungesunden Maß überhandgenommen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Wächter so einem Versager wie mir weiterhin verantwortungsvolle Aufgaben anvertrauen will.«
»Erzähle mir nochmals genau, was alles passiert ist.«
»Nein, das will ich nicht mehr. Es würde mich umbringen, verstehst du? Und es ist auch nicht notwendig, wenn ihr sowieso alles wisst.«
»Gut. Aber weißt du alles, Asmodis? Oder glaubst du es nur zu wissen?«
»Was soll das heißen?«
»Ist die Hölle wirklich zerstört?«
»Natürlich ist sie das.«
»Aha.«
»Was meinst du mit aha? Hast du andere Informationen, Bote?«
»Finde gefälligst selbst heraus, was auf der Erde vorgeht, Asmodis. Und bereinige die Dinge im Sinne des Wächters, wenn es etwas zu bereinigen gibt. Ich sage es noch einmal: Es wäre ein großer Irrtum zu glauben, dass du von dir aus die Zusammenarbeit mit dem Wächter beenden kannst. Du bist weiterhin in seinen Diensten und du wirst dich deswegen umgehend zurück nach Caermardhin begeben, um deinen Aufgaben wieder nachzukommen. Wie lange willst du noch den Jammerlappen spielen, dem es gefällt, sich in seinem Selbstmitleid zu suhlen? Du wirst dringender denn je in der Burg der Macht gebraucht. Solltest du dich weigern, werde ich dich zwingen. Glaub mir, dass mir das nicht schwerfallen würde.«
Asmodis verharrte einen Moment. »Also gut. Ich gehe zurück.« Die rätselhaften Andeutungen des Boten hatten fiebrige Erregung in ihm ausgelöst. Waren sie so zu verstehen, dass die Hölle vielleicht doch überlebt hatte? Zumindest ein Teil von ihr?
Und wenn es nur ein winzig kleiner wäre…
Der Bote verschwand auf eine Weise, die Asmodis nicht nachvollziehen konnte. Plötzlich zogen finstere Wolken über Avalon auf, türmten sich zu wahren Gebirgen und ließen es fast Nacht werden.
Asmodis nahm eine seiner menschlichen Tarngestalten an, den düster aussehenden Mann in den besten Jahren, im legeren schwarzen Anzug mit weißem Hemd darunter. Ein starker Wind kam plötzlich auf, in dem seine mittellangen, braunen Haare heftig flatterten. Irgendwo donnerte es so stark, dass selbst Asmodis zusammenfuhr. Für einen Moment glaubte er eine grelle Leuchterscheinung hinter sich zu sehen, eine Waage im Gleichgewicht, das Symbol des Wächters der Schicksalswaage.
Ja, ist ja gut. Ich habe verstanden!
Asmodis ging zu Onda, verabschiedete sich von ihr mit einer Umarmung, die sie geschehen ließ, richtete einen Gruß an die Herrin vom See aus und sprang dann in die Paraspur, die ihn zurück auf die Erde führte.
Plötzlich konnte Asmodis es kaum noch erwarten, den Saal des Wissens zu erreichen. Was würde ihn erwarten?
***
Venedig
Fast andächtig beobachtete Eugenia Govi, wie das Vaporetto aus Cavallino beidrehte und inmitten der lärmenden Betriebsamkeit an den Kais beim Markusplatz festmachte, begleitet von einem Schwarm schreiender Möwen. Rund hundert Touristen verließen das Wassertaxi. Trotzdem konnte die schlanke junge Frau den Besuch, auf den sie so sehnsüchtig gewartet hatte, sofort ausmachen.
» Buon giorno , ihr zwei. Da seid ihr ja endlich. Ich hoffe, ihr hattet eine angenehme Reise«, begrüßte sie die mit Rucksäcken und Windjacken »bewaffneten« Ankömmlinge mit einem breiten Lächeln. Tom Ericson und Peter Greber lächelten zurück. Tom war der erste, der Eugenia umarmte.
»Lass die Frau los. Du quetschst sie ja zu Tode«, kommentierte der etwas dickliche Peter. »Wir brauchen Eugenia noch.«
»Geht schon, ich bin kein zartes Zuckerpüppchen«, erwiderte Eugenia, die so gut aussah, dass sie ohne weiteres Katalog-Model hätte sein können. »Ich freue mich wahnsinnig, euch endlich mal hier in meiner Heimatstadt Venedig begrüßen zu können. Ich glaube, dass wir eine tolle und aufregende Zeit zusammen haben werden.« Mit einem eigentümlichen Glänzen in den leicht schräg stehenden Augen blinzelte sie den jungen Männern verheißungsvoll zu.
Vor allem Tom wurde sofort nervös und verspürte ein Ziehen im Bauch. So etwas hatte sie nie zuvor getan. Bisher waren sie nur gute Freunde gewesen, auch wenn Tom schon länger auf Eugenia scharf war. Gedachte sie das irgendwie zu ändern? Wenn er es recht bedachte, hatte er sie auch noch nie mit einem derart freizügigen Ausschnitt gesehen. Total sexy. Aufreizend? Auffordernd? Einen BH trug sie auch nicht unter ihrer roten Bluse, das hatte er beim Umarmen deutlich gespürt. Dass das Lächeln Peter
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