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096 - Die Gräfin von Ascot

096 - Die Gräfin von Ascot

Titel: 096 - Die Gräfin von Ascot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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verhältnismäßig einfache Ansprüche; gern las sie Abenteuerromane, wie überhaupt ein romantischer Zug durch ihr Leben ging. Stundenlang konnte sie an ihrem Schreibtisch sitzen und vor sich hinträumen. Und Herman, der sie sehr gut kannte, störte sie niemals dabei.
    Für diesen hochaufgeschossenen jungen Mann war sie das größte kaufmännische Genie, das jemals gelebt hatte.
    Jetzt, da Marie zurückgekommen war, hatte sie keine Zeit mehr zum Träumen. Alle ihre geschäftlichen Sorgen, selbst die neuen Herbstmoden, wurden unwichtig.
    Sie mußte vor allem erklären, warum sie John Morlay engagiert hatte, aber das ging verhältnismäßig leicht.
    »Eine gute Idee«, sagte Marie ernsthaft. »Ich glaube kaum, daß sich andere Leute soviel Mühe und Sorge um ihre Schutzbefohlenen machen.« »Er ist ein Gentleman, und ich schenke ihm volles Vertrauen«, entgegnete Mrs. Carawood. »Es gibt mir ein gewisses Sicherheitsgefühl, daß ich ihn um Rat fragen kann, wenn.« Sie zögerte.
    »Woran denkst du, Nanny? Glaubst du, daß Leute, die sich unsterblich in mich verlieben, mich entführen? Oder daß mich Banditen gefangennehmen, um nachher Lösegeld für mich zu fordern?«
    Sie sah plötzlich den Ausdruck des Schreckens im Gesicht der Frau und änderte sofort ihren scherzhaften Ton. »Niemand wird mir etwas tun, Nanny!« »Nein«, entgegnete Mrs. Carawood kurz.
    »Ich habe keinen bösen Feind oder einen längst verschollenen Onkel?« Mrs. Carawood wurde dunkelrot.
    »Nein, das nicht«, sagte sie laut. »Wer hat dir denn solche Gedanken in den Kopf gesetzt?«
    »Niemand - ich mache nur einen Scherz. Ich habe auch gar nichts gegen Mr. Morlay. Er ist sehr nett, viel netter als Julian. Der ist zwar auch sehr liebenswürdig und freundlich, aber ich weiß nicht - irgend etwas fehlt ihm. In der Schule sagten wir, er hat nicht den richtigen Dreh. Es ist sehr beruhigend, wenn man einen Mann wie John Morlay in der Nähe hat. Er ist ein Mittelding zwischen Vater, Bruder und gutem Onkel.« Eine längere Pause trat ein. »Nanny, wie war denn eigentlich mein Vater?«
    Mrs. Carawood fuhr zusammen. »Dein Vater, mein Liebling?« fragte sie heiser. »Warum fragst du denn danach?« Marie lachte leise.
    »Nun, das ist doch nicht unnatürlich. Hast du eigentlich ein Foto von ihm?«
    Die ältere Frau schüttelte den Kopf.
    »Nein. Ich habe ihn niemals gesehen. Er starb vor deiner Geburt, und bevor ich ins Haus deiner Mutter kam.«
    Marie stützte sich auf die Stuhllehne und sah auf die sonnenbeschienene Straße hinaus.
    »Wenn ich nur wüßte, wie er aussah«, sagte sie nachdenklich. »Merkwürdig, sich vorzustellen, daß er gar nicht Englisch sprechen konnte! Wohnte er eigentlich in Rom? Ich hoffe es. Ich habe schon versucht, mir einmal vorzustellen, wie er gelebt hat. Bestimmt besaß er eine sehr große, stattliche Villa, die im Innern kühl und dunkel war. Im Winter waren die Zimmer etwas feucht, und überall hingen alte Familienwappen.« »Ja, sein Haus war wahrscheinlich größer als dein kleines Haus in Ascot.« Mrs. Carawood war traurig, und Marie fühlte, daß sie ihre Sorgen unter einem Lächeln verbergen wollte. Nur selten hatte Marie Fioli bisher an ihre alte Familie gedacht. Im großen und ganzen war sie ein Kind ihrer Zeit und hatte nur moderne Interessen.
    Mrs. Carawood holte die Grundrisse und Pläne der kleinen Villa hervor, ebenso eine Mappe, in der sich die Abbildungen der Möbel von Ascot befanden.
    Marie wußte sehr wenig über Mrs. Carawood, die in ihrer Gegenwart niemals von geschäftlichen Dingen sprach. Ihr Schreibtisch in dem kleinen Büro war immer sehr gut aufgeräumt, und als Marie einmal nach Briefpapier suchte, entdeckte sie, daß alle Schubladen sorgfältig abgeschlossen waren. Nie hatte sie mit Marie über deren Vermögen gesprochen.
    Marie bekam alles Geld, das sie brauchte. Mrs. Carawood zahlte jeden Monat eine beträchtliche Summe auf ein besonderes Bankkonto ein. Sie hatte Marie sicher sehr gern. Nur ein einziges Mal wurde sie ärgerlich, und Marie dachte noch mit Schrecken an dieses Erlebnis. Es war am Abend des gleichen Tages. Den ganzen Nachmittag hatte sie mit John Morlay Einkäufe gemacht und war dann zur Penton Street zurückgekehrt, um den Abend mit Mrs. Carawood zusammen zu verbringen. Herman, der auch im Haus schlief, war von seiner Herrin ins Kino geschickt worden, und so waren die beiden allein.
    Mrs. Carawood war in Maries Zimmer gegangen, um die Koffer auszupacken und Maries Garderobe

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