096 - Die Gräfin von Ascot
morgen entdeckte man, daß er eine Vitrine geöffnet und einen großen, viereckigen Saphir mitgenommen hat.«
»Damit wäre die Sache also erledigt«, sagte John. Peas seufzte schwer.
»Die Leute wollen es nicht verstehen«, erklärte er. »Sie wissen, daß ich den Fall bearbeite, und da müßte ihnen doch ganz klar sein, daß ich den Dieb fasse, wenn überhaupt ein Mensch dazu imstande ist. Aber was tun sie? Große Artikel erscheinen in den Zeitungen: ›Was macht die Polizei?‹ Sie behaupten, wir schlafen in Scotland Yard, bringen lange Listen von Einbrüchen, die nicht aufgeklärt worden sind, und sagen, ein großer Prozentsatz von Verbrechen würde überhaupt nicht gesühnt. Aber man muß andererseits doch auch folgendes bedenken: Wenn ein Mann heute in der Bond Street in einen Juwelierladen einbricht und man nichts mehr von ihm hört, wird er doch seine verbrecherischen Neigungen nicht mit einemmal los. Er begeht also weitere Diebstähle und wird vielleicht drei Monate später in Liverpool gefaßt. Dort packt ihn die Polizei, er wird verurteilt, und niemand weiß etwas davon.«
»Warum vermuten Sie eigentlich, daß es eine Frau war?« fragte John noch einmal.
Peas sah ihn nachdenklich an und spitzte die Lippen, als ob er pfeifen wolle.
»Kennen Sie Mrs. Carawood?« fragte er dann unerwartet. John Morlay sah ihn groß an.
»Mrs. Carawood? Ja. Ich habe sogar schon beruflich mit ihr zu tun gehabt.«
Der Inspektor nickte.
»Sie ist eine ziemlich wohlhabende Frau. Man könnte sie sogar reich nennen.«
John lachte, »Sie meinen doch nicht etwa, daß sie den Einbruch verübt hat?«
Zu seinem Erstaunen stellte Peas das nicht in Abrede, »Sie hat eine Menge Geld - mehr als sie aus ihrem alten Kleiderhandel beziehen kann. Sie muß also sonst noch ein Nebengeschäft haben, und ich mochte herausbringen, was das ist.«
»Was könnte das denn sein, wenn Sie sie von dem Einbruch freisprechen?« fragte John ironisch.
»Sie fährt zweimal im Jahr nach Antwerpen. Das ist etwas merkwürdig für eine Frau, die ein Kleidergeschäft betreibt. Auf der anderen Seite ist es nicht merkwürdig für jemanden, der Schmuckstücke verkaufen will.« »Ach, das ist doch Unsinn«, unterbrach ihn John ärgerlich. »Ich weiß nicht, ob sie nach Antwerpen fährt oder nicht; aber wenn sie das tut, bin ich ganz sicher, daß sie guten Grund dazu hat.«
»Es ist nicht einmal ein Gedanke«, entgegnete Peas diplomatisch. »Es ist nur die vorsichtige Erwägung einer entfernten Möglichkeit. Haben Sie schon einmal überlegt, was ein Fragezeichen ist? Ein Angelhaken, den Sie auswerfen, um etwas zu fangen. Sehen Sie, das ist einer meiner eigenen Geistesblitze. Ich habe schon daran gedacht, einmal in den Zeitungen darüber zu schreiben.«
»Nun, die werden sich ja freuen«, erwiderte John spöttisch. Aber das focht Inspektor Peas nicht an.
»Ich bin ein Mann von großer Erfahrung. Ich bezweifle, ob es sonst noch jemanden in Scotland Yard gibt, der soviel über die inneren Zusammenhänge der Verbrechen weiß wie ich. Bei dem schlimmsten Fall, den ich einmal bearbeitete, handelte es sich um ein verschüchtertes Mädchen. Wenn man sie verhörte, war sie entsetzlich bescheiden und wurde fast bei jeder Antwort rot. Sie vergiftete ihren Bruder, und niemand konnte ihr etwas nachweisen. Später vergiftete sie ihren Mann und kam damit durch. Wenn ich damals gleich die Sache bearbeitet hätte, wäre es anders ausgegangen, aber unglücklicherweise wurde der Fall meinem Vorgesetzten übertragen, und so ist sie jetzt mit einem reichen Argentinier verheiratet und sitzt im Vorstand aller möglichen Wohltätigkeitsvereine - sehen Sie, so ist das Leben.«
»Wozu erzählen Sie mir solche Märchen?« fragte John ärgerlich. Peas war inzwischen aufgestanden und betrachtete ein Bild. »Das ist ein richtiges Ölgemälde, und wahrscheinlich handgemalt«, erklärte er. Denselben dummen Witz hatte er mindestens schon vierzigmal gemacht. Plötzlich wandte er sich um.
»Diese Mrs. Carawood hat eine ganze Anzahl von Geschäften in London. Soweit ich herausgebracht habe, lebt sie verhältnismäßig bescheiden. Bei ihr wohnt ein sehr ungebildeter junger Mann, den sie auf ihre Art und Weise adoptiert hat. Ich möchte nur wissen, was sie mit der Gräfin Fioli zu tun hat.«
»Was soll das heißen?« entgegnete John gereizt. »Sie ist die Pflegerin der jungen Dame; die alte Gräfin hat bei ihrem Tod das Kind der Obhut von Mrs. Carawood anvertraut.« Wieder verzog Peas
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