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096 - Die Gräfin von Ascot

096 - Die Gräfin von Ascot

Titel: 096 - Die Gräfin von Ascot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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Ihnen irgendwelche Verbrechen in die Schuhe zu schieben, die in der Vergangenheit passiert sind. Mit dem Ausdruck meiner aufrichtigen Verehrung John Morlay‹.
    Marie hatte den Brief schon mehrmals durchgelesen und amüsierte sich auch jetzt wieder darüber. Zu diesem Zweck hatte er ihn ja auch geschrieben. Diese Mitteilung war ihr in keiner Weise unangenehm; sie wußte ja, daß Mrs. Carawood etwas nervös und ängstlich war, wenn es sich um sie handelte. Und John Morlay war im Grunde genommen ein wirklich netter junger Mann. Marie dachte sogar darüber nach, ob sie sich wohl in ihn verlieben würde. Solche Gedanken waren in ihrem Alter natürlich, und außerdem hatten ihre Freundinnen ihr oft von ihrer Sehnsucht nach romantischen Erlebnissen vorgeschwärmt. Als der Zug im Bahnhof einlief, hielt der Wagen, in dem Marie saß, direkt vor John Morlay.
    Es hatte geregnet, und er sah in dem Regenmantel, der bis über die Knie reichte, besonders stattlich und groß aus.
    »Melde mich zur Stelle«, begrüßte er sie, nahm ihre Hand und drückte sie vorsichtig. »Ich bin mir noch nie in meinem Leben so wichtig vorgekommen. Und wenn ich offen sein soll«, fuhr er feierlich fort, obwohl sie ihn freudestrahlend anlachte, »habe ich mich nur dadurch dazu bringen können, meine Pflicht voll und ganz aufzunehmen, daß ich mir vorstellte, Sie wären ein großer Kasten voll Gold, den ich auf die Bank von England bringen muß, damit er unterwegs nicht von bösen Dieben gestohlen wird. Der Wagen zum Transport wartet«, fügte er mit einer würdevollen Handbewegung hinzu. Sie lachte nur noch mehr, so daß seine anfängliche Nervosität vollkommen schwand.
    »Sie haben einen sehr schönen Anfang gemacht, Mr. Morlay - ach so, ich muß Sie ja John nennen.«
    »Ja, sagen Sie John. Soll ich Sie sofort nach Pimlico bringen, oder wollen wir erst eine Tasse Tee zusammen trinken?«
    »Wenn ich es mir überlege, ist eine Einladung zum Tee verlockend. Ich habe immer um elf Uhr morgens gefrühstückt. In unserer Schule war das eine strenge Regel.«
    Er führ mit ihr zum Hyde Park, wo eben ein Erfrischungspavillon geöffnet wurde. Unter einem großen Baum ließen sie sich in bequemen Stühlen nieder und tranken Tee.
    »Sie sind wohl mit Mrs. Carawood sehr befreundet?« »Ja, wir sind wie Bruder und Schwester«, erklärte John feierlich. »Aber Sie müssen mir wirklich richtig Auskunft geben. Ich glaube ja, daß sie Sie sehr gut kennt, sonst hätte sie mich niemals Ihrer Obhut anvertraut.«
    »Ich denke, sie hat große Menschenkenntnis«, erwiderte er. »Im Ernst, Contessa -«
    »Wollen Sie nun auch so gut sein, mich als Zimmermädchen zu betrachten und mich einfach Marie zu nennen?« fragte sie vergnügt. »In der Schule hatte ich den Spitznamen Moggy, aber wir kennen uns noch nicht lange genug, daß Sie den schon verwenden dürften.« Er schüttelte den Kopf.
    »Gut, dann bleibt es bei Marie. Und ich heiße John.« Morlay war über sich selbst erstaunt. Noch nie hatte er soviel Witze gemacht, niemals war er so aus sich herausgegangen. Er war doch ein gesetzter, ruhiger Geschäftsmann in mittleren Jahren, der sich eigentlich dementsprechend würdevoll benehmen mußte. Einige Zeit scherzte er noch mit ihr, dann wurde sie plötzlich ernst.
    »Die Welt lag früher für mich so fern, aber jetzt ist alles plötzlich Wirklichkeit geworden; es gibt so viele Dinge, vor denen ich mich fürchte. Ich kann es kaum begreifen - noch vor einer Woche habe ich einen Aufsatz über Wilhelm den Eroberer geschrieben, und jetzt sitze ich hier neben Ihnen im Hyde Park. Es ist alles so sonderbar, so phantastisch - und daß Sie an meiner Seite sitzen, ist das Seltsamste von allem -« »Kennen Sie eigentlich Julian Lester?«
    Sie warf ihm einen schnellen Blick zu.
    »Ja. Warum fragen Sie danach? Selbstverständlich kenne ich ihn«, erwiderte sie fast vorwurfsvoll. »Er hat Sie mir doch vorgestellt. Er ist mit einer meiner Freundinnen entfernt verwandt, und ich finde ihn eigentlich ganz nett. Sie nicht auch?«
    »Ja, er ist recht nett«, sagte John wenig begeistert. »Schreibt er Ihnen öfter?«
    Hätte er auch nur einen Augenblick nachgedacht, so hätte er niemals gewagt, eine derartige Frage an sie zu richten. Ein erstaunter Blick aus ihren tiefblauen Augen traf ihn.
    »Natürlich schreibt er mir«, entgegnete sie etwas kühl und warf den Kopf leicht zurück. »Sprechen Sie jetzt als Detektiv?«
    »Ach, das war nur eine neugierige Frage. Ich habe mich um Dinge gekümmert,

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