0961 - Nähre deine Wut!
die Trennung war noch nicht vollständig vollzogen.
Aktanur stieß ein Röcheln aus. Blut schoss ihm aus dem Mund. Dennoch glaubte Rhett, ein Lächeln auf seinen Lippen zu erkennen. Mit einem letzten Husten starb er.
Der Erbfolger zog das Schwert aus der Leiche. Er rechnete damit, dass sie sich nun vollends aus ihm lösen würde, doch er täuschte sich. Der tote Leib glitt in ihn zurück. Er zerfloss, schmiegte sich an Rhett und wurde eines mit ihm. Unfassbares Entsetzen erfüllte Rhett. Er hatte die sterblichen Überreste seines Zwillings in sich aufgenommen!
Er ließ das Katana fallen und kniete sich neben seiner Mutter nieder.
Eine Hand legte sich auf seine Schulter.
Professor Zamorra und Nicole waren da.
Rhett schüttelte die Hand ab. »Lass mich!«
Dann sank er über Patricias Leiche zusammen und begann zu weinen.
***
Stunden später
In Château Montagne herrschte eisiges Schweigen. Jeder hing seinen Gedanken nach.
Zamorra nippte an einem Whisky. Er schmeckte widerlich.
Der Professor bekam die Bilder des Tages nicht aus dem Kopf. Wie eine grausame Schleife, die wieder und wieder die fürchterlichen Ereignisse wiederholte.
Mit dem Entsetzen war auch der Regen zurückgekehrt. Das hatte Rhett jedoch nicht davon abgehalten, neben den Gräbern von Raffael Bois und Tanja Semjonowa im Park des Schlosses ein weiteres auszuheben. Er hatte jede Hilfe abgelehnt.
»Ich muss das alleine tun. Ich muss das alleine tun.« Immer wieder hatte er diesen einen Satz vor sich hingemurmelt.
Keine Stunde später hatte er mit Anka fluchtartig das Château verlassen und war ins Llewellyn-Castle zurückgekehrt. An den Ort, an dem Lady Patricia ihm das Leben geschenkt hatte.
Nicole und Zamorra versuchten verzweifelt, ihn umzustimmen, aber sie redeten wie gegen eine Wand.
»Ich habe meine Mutter umgebracht. Und ich trage Aktanurs Leiche in mir. Ich kann seine Verderbtheit in mir spüren. Lasst mich in Ruhe. Lasst mich einfach nur in Ruhe.«
Nur Anka akzeptierte er an seiner Seite. Selbst, als William ihn begleiten wollte, lehnte er harsch ab.
»Ich will niemanden von euch sehen. Könnt ihr das nicht verstehen?«
»Aber…«, versuchte es William erneut. Der sonst so stoisch wirkende Schotte war fassungslos.
»Kein Aber! Wenn Sie es nicht begreifen wollen, William, bleibt mir keine andere Wahl: Sie sind entlassen! Ich benötige Ihre Dienste nicht mehr.«
Selten hatte Zamorra den Butler so konsterniert gesehen. Nachdem Anka und Rhett das Château verlassen hatten, stellte der Dämonenjäger den guten Geist des Hauses bei sich ein, sodass sich letztlich nichts für ihn änderte. Dennoch entschuldigte William sich mit Tränen in den Augen und zog sich in sein Zimmer zurück. Der Professor sah ihm an, wie tief ihn Rhetts Abfuhr getroffen hatte.
Auch Claire war untröstlich. Erst mit Krychnaks Tod war der Bann von ihr abgefallen. Natürlich war sie sofort ins Château geeilt, um von der Entführung zu berichten. Doch da war es längst zu spät. Sie machte sich schlimme Vorwürfe, dass ihre Unbedarftheit Patricias Tod erst ermöglich hatte.
Zamorra hingegen gab niemand anderem die Schuld als sich selbst. Hätte er das Amulett nicht gerufen, könnte Rhetts Mutter noch leben.
Es war nur ein kleiner Trost, dass die Säule bei ihrer Vernichtung nicht nur die böse Energie ihrer Ableger, sondern auch die Dunkelheit in Fooly zu sich geholt hatte. So konnte der Drache endlich doch noch das Weltentor in seine Heimat durchqueren. Er rang sichtlich nach Worten, als er Lebewohl sagte. Wie alle anderen fühlte auch er sich vom Schock wie gelähmt.
»Das ist sicher kein Abschied für immer«, flüsterte er. »Irgendwann wird es ein Wiedersehen geben.«
Und so saßen Zamorra und Nicole nun alleine im Kaminzimmer des Châteaus und starrten in die Flammen. Im Fernsehen liefen Meldungen von einem geheimnisvollen Brandstifter, der in Schottland ganze Dörfer in Schutt und Asche gelegt hatte, und neue Theorien darüber, was in London geschehen sein konnte. Der Meister des Übersinnlichen hörte sie kaum. Ein ständig wiederkehrender Gedanke ließ ihn nicht mehr los: Er wusste nicht, ob die Ereignisse mit der Vernichtung der Schwefelklüfte zusammenhingen. Und dennoch…
»Ich frage mich«, murmelte er, »ob es eine gute Idee war, die Hölle zu zerstören. Seit sie nicht mehr existiert, scheint alles nur noch schlimmer zu werden. Manchmal wünschte ich, wir hätten es nicht getan.«
Nicole schwieg. Eine einsame Träne rann über ihre
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