0961 - Nähre deine Wut!
Schwarze Dunstfäden flirrten aus der Umgebung heran und machten den bisherigen Erfolg zunichte.
»Was… ist das?«, keuchte Nicole.
»Nachschub!« Die Stimme des Professors zitterte wie der Boden. »Ich vermute, sie zapft ihre Tochtersäulen an.«
»Was sollen wir tun?«
»Nichts! Durchhalten. Deren Reserven können auch nicht unbegrenzt reichen.«
»Aber vielleicht länger als unsere.«
»Vielleicht.«
Wann würde das Amulett den Angriff einstellen? Wann käme es zur Auffassung, ihnen keine weitere Kraft mehr abzapfen zu dürfen, ohne ihr Leben zu gefährden? Wann würde es das durch das Abschalten des Schutzschirms aber genau das trotzdem tun?
Die Sekunden verstrichen im Zeitlupentempo. Zamorra verlor jegliches Zeitgefühl. Irgendwann fiel ihm auf, dass die schwarzen Dunstfäden abrissen. Er hätte gejubelt, wenn er die Energie hätte aufbringen können, doch es ging nicht. Es wäre auch verfrüht gewesen, denn kurz danach schwebte eine weitere dunkle Präsenz heran, um die Säule zu stärken. Ebenfalls schwarz und dunstig, dennoch erkennbar anders.
Aber dann endlich - nach Minuten oder Jahrtausenden, Zamorra wusste es nicht - brach der Nachschub ab. Das bedeutete das Ende der Wutsäule. Sie fiel in sich zusammen, verwandelte sich innerhalb von Augenblicken von festem Stein in eine ölige Substanz. Diese wiederum trocknete sofort aus und zerfiel zu Asche.
Das Knistern verstummte. Der Gestank lag noch für einige Sekunden in der Luft und verflog.
Zamorra spürte den Erdboden im Rücken. Er konnte sich nicht erinnern, in diese Position geraten zu sein, aber jetzt war er froh zu liegen. Andernfalls wäre er sicherlich zusammengebrochen.
Alles, was er hörte, war sein Atem und sein rasender Herzschlag.
Und Nicoles Stimme.
»Haben wir es geschafft?«
Er wandte den Kopf zu ihr. Auch sie lag mit ausgebreiteten Armen auf dem Rücken. Er tastete nach ihren Fingern. »Das haben wir.«
Minutenlang lagen sie da, sahen den ziehenden Wolken zu und sagten nichts.
»Ich glaube, wir haben gerade sämtliche Säulen und Dämonen auf einen Schlag vernichtet«, brach der Meister des Übersinnlichen schließlich das Schweigen.
»Gute Arbeit, Herr Professor«, erwiderte Nicole.
»Danke gleichfalls, Mademoiselle Duval.«
Sie stemmten sich hoch und stützten sich gegenseitig, als die wackeligen Beine unter ihnen nachzugeben drohten. Irgendwann überwanden sie auch diese Schwäche.
»Lass uns einen Spaziergang zu Spooky Castle unternehmen. Die frische Luft wird uns gut tun.« Nicole klang nicht so, als würde sie selbst daran glauben.
»Ein frischer Kaffee wäre mir lieber. Eine ganze Wanne voll! Und zwar so stark, dass ich nicht untergehen würde.«
Seite an Seite stapften sie die A87 entlang. Kein Auto begegnete ihnen oder überholte sie. Ob ein Fahrer angehalten und sie mitgenommen hätte, war in ihrem Zustand aber ohnehin mehr als fraglich. Sie waren fürchterlich erschöpft, aber dennoch sehr zufrieden.
Doch wenn Zamorra während seiner Laufbahn etwas gelernt hatte, dann, dass Zufriedenheit in seinem Beruf nie lange anhielt.
Dass sie jedoch so sang- und klanglos erlosch wie in dem Augenblick, als sie die ersten Menschen auf der A87 sahen, damit hätte der Professor nicht gerechnet.
»O mein Gott«, hörte er da auch schon Nicole neben sich sagen. »Das darf nicht wahr sein.«
Doch das war es.
***
Fooly überflog eines der Dörfer, das sie bereits gereinigt hatten.
Patricias Strampeln hatte ein wenig nachgelassen, offenbar gingen ihre Kräfte zur Neige. Dennoch war die Ausstrahlung der Säule deutlich zu spüren.
Doch was geschah dort unten? Etwas schien mit der Säule nicht in Ordnung zu sein. Als brenne sie innerlich, stieg schwarzer Qualm von ihr auf und zog trotz entgegengesetzter Windrichtung nach Osten.
Er hatte keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Er musste Rhett helfen. Jetzt! Spooky Castle lag zu weit entfernt. Bis dorthin mochte es zu spät sein.
Kurz entschlossen änderte er den Kurs. Er flog über den Loch Cluanie hinweg. Am Nordufer existierten kaum Ansiedlungen. Weniger Menschen, die sich in Dämonen verwandeln konnten, bedeuteten weniger Säulen. Und das wiederum bedeutete vielleicht eine geringere Ausstrahlung.
Seine Hoffnung erfüllte sich.
Er landete auf einer Wiese mit gelblichgrünem Gras neben der Straße. A irgendwas, hatte Rhett sie genannt.
»Lass mich los«, sagte Patricia. »Mir geht es wieder gut.«
Fooly stellte die Mutter des Erbfolgers ab. Dann holte er sich
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