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0965 - Die zweite Unendlichkeit

0965 - Die zweite Unendlichkeit

Titel: 0965 - Die zweite Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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wirkte dieser nicht minder schäbig und alt.
    Von der Beute keine Spur.
    Kyrgon lauschte, doch kein einziger Laut drang an sein Ohr. Wo immer dies war, es war totenstill.
    Gut so. Er hatte keinerlei Absicht, länger als nötig zu bleiben. Kyrgon konzentrierte sich, wie er es schon unzählige Male gemacht hatte. Er ließ seinen Körper los, öffnete den mentalen Rahmen, der ihm die gewählte menschliche Form gab und…
    Nichts. Verwirrt sah er an sich hinab und auf die Brust, die Arme und Beine, die noch immer da waren. Nichts hatte sich verwandelt.
    Mit wachsender Unruhe im Leib stand er endgültig auf, trat betont leise zur Seitenwand der kleinen Kammer und ließ seine Hand den weißen Putz berühren. Abermals geschah nichts, was normal gewesen wäre, denn anstatt durch den Stein durchzugleiten, berührte sie ihn !
    Panik wallte in ihm auf. So etwas war noch nie passiert. In all den Jahrzehnten, die er nun schon existierte, hatte es nie einen Ort gegeben, der ihn halten konnte. Jedes Objekt ließ sich durchdringen, verflucht! Schließlich war er schwarzer Dunst und fand überall einen Weg. Warum ging es hier nicht?
    Kyrgon schaute zu Boden, suchte die Wände ab. Doch er sah nichts, was er nicht in dieser Szenerie vermutet hätte. Keine Spur einer feindlichen Magie. Auch sein Opfer suchte er nach wie vor vergebens.
    Steckte es etwa hinter dem Geschehen? Hatte die so hilflos wirkende Kleine ihn irgendwie übertölpelt? Ja, das musste es sein. Alles andere ergab noch weniger Sinn, oder?
    »Zeig dich, du Feigling!«, rief er und hoffte, es klänge selbstsicher und fest, statt irritiert. »Du willst spielen? Dann lass uns spielen. Bringen wir's zu Ende!«
    Die Worte hallten von den eng beieinanderstehenden Wänden wider und blieben dennoch das Einzige, was an sein Ohr drang. Falls die Kleine hier irgendwo war, verriet sie sich nicht.
    »Okay, dann eben auf deine Art«, murmelte der Jäger bei sich und trat zur Tür. »Irgendwo wirst du schon stecken, und wenn ich dich finde…«
    Die Unsicherheit, die ihn fast noch mehr beunruhigte als die Situation selbst, ließ ihn den Satz nicht beenden. Kyrgon zögerte, die Schwelle zum Korridor zu überqueren. Vorsichtig steckte er den Kopf voraus und sah sich um.
    Der Gang schien lang und führte in beiden Richtungen in völlige Schwärze. Auf seiner und der gegenüberliegenden Seite sah der Jäger mehrere hölzerne Türen - allesamt geschlossen, wenn ihn seine Sicht nicht trog -, sonst aber nichts. Keine Menschenseele. Auch seine Sinne, geschult von langen Jahren der Jagd und von einem Instinkt gespeist, der seinesgleichen suchte, signalisierten ihm weder Anwesende, noch Gefahr.
    Kyrgon nickte entschlossen, wenngleich nur, um sich selbst zu täuschen, und trat aus der Kammer.
    Nichts geschah. Niemand sprang ihn an, niemand beschoss ihn mit bläulich schimmernder Energie. Ein wenig beruhigt wandte er sich nach rechts, denn eine Richtung war in dieser Dunkelheit so gut wie die andere, und machte einige Schritte, immer darauf bedacht, sich nicht durch ein unerwartetes Dielenknarren oder das Rascheln seines dunklen Mantels zu verraten.
    Dann fand er die Monster.
    ***
    »Und was ist als Nächstes passiert?«
    Professor Zamorra lehnte sich zurück und sah seinen langjährigen Freund an. Hin und wieder hatte Gryf nahezu kindliche Züge - etwa dann, wenn er seinen Gesprächspartnern konsequent Löcher in den Bauch zu fragen drohte.
    Der Druide vom Silbermond war vor einigen Stunden im Château Montagne aufgetaucht. Angeblich, um Zamorra und Nicole zu besuchen. Aber Zamorra ahnte, dass diese Stippvisite nicht aus Höflichkeit geboren war, sondern Gryfs Neugierde angekreidet werden musste. In den letzten Wochen war so viel geschehen, dass Gryf sich wohl wieder mal auf den neuesten Stand bringen wollte. Zamorra konnte es ihm nicht verübeln.
    »Viel, wie immer«, quasi beantwortete Nicole gerade die Frage des Druiden und seufzte. Sie saßen zu dritt im Wohnzimmer des Châteaus. Vor den Fenstern hatte längst die Dämmerung begonnen. Die Wiesen und Wälder des Loire-Tals verloren zunehmend an Licht, in vielleicht einer Stunde würde es schon finsterste Nacht sein.
    Die Schnittchenplatte, die Butler William ihnen vor einiger Zeit hereingebracht hatte, war fast leer. Nur ein einzelnes Käsebrot blieb als Anstandshäppchen zurück. Wenn sich nicht bald einer darum kümmerte, so entschied der Professor, aß er es eben selbst. Hungrig genug war er überraschenderweise noch.
    Nicole erhob sich.

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