098 - Der Kerkermeister
alles?" fragte ich.
Unbeirrt sprach er weiter. Diesmal deutsch.
„George Rudolf Speyer war dein Name in deinem dritten Leben. Da gelang es dir, einige Verwirrung unter den Dämonen anzurichten. Trotzdem warst du noch immer keine ernsthafte Gefahr für uns. Doch wir beobachteten dich. Dein Kampf gegen uns war stümperhaft. Es war ein Fehler von dir, dich vom Alraunengeschöpf töten zu lassen. Und dein Kampf gegen die Dämonendrillinge brachte uns eine unangenehme Überraschung."
„Was geschah mit den Dämonendrillingen?" fragte ich rasch. „Und wohin verschwand der goldene Drudenfuß?" Diese Fragen hatten mich immer wieder beschäftigt. Es war mir unverständlich, daß ich von den Drillingen nichts mehr gehört hatte.
„Die Dämonendrillinge sind im Augenblick ausgeschaltet. Sie sind zu gefährlichen Bestien geworden, die uns sicherlich in der Zukunft noch einige Schwierigkeiten bereiten werden. Aber genug davon." Nun sprach er italienisch. „Zu einer Gefahr wurdest du erst als Michele da Mosto. Doch immerhin verdanken wir es deiner Dummheit, daß das Alraunengeschöpf zu uns stieß. Sie hat sich auf unsere Seite geschlagen. Wir haben viel mit ihr vor. Nun zu dir, Michele da Mosto. Du weißt jetzt zuviel. Die Erinnerung an deine vergangenen Leben macht dich immer gefährlicher. Zu viele Dämonen sind durch deine Hand gestorben. Dein Wissen wird mit jeder Wiedergeburt umfangreicher. Das werde ich verhindern. Lange dachte ich darüber nach, wie wir dich endgültig ausschalten können, und jetzt habe ich einen Weg gefunden."
„Wer bist du, und von wem weißt du das alles?"
„Zügle deine Neugierde, Michele da Mosto. Wer ich bin, das wirst du kurz vor deinem Tod erfahren. Aber einen Teil deiner Neugierde will ich befriedigen. Über deine früheren Leben weiß ich von Alraune, die jetzt in der Unterwelt von Kreta haust. Sie hat mir alles von dir erzählt, da sie sich an dir rächen will. Ich habe dich hierher gelockt, um ihre Rache zu vollziehen und dich für alle Zeiten unschädlich zu machen."
„Das wird dir nicht gelingen", flüsterte ich. „Niemals werdet ihr verfluchten Dämonen mich ausschalten können. Ich werde wiedergeboren werden - und dann geht der Kampf weiter. Gegen die Dämonen werde ich immer kämpfen. Das schwöre ich."
„Warten wir es ab, da Mosto. Warten wir es ab." Erneut beugte er sich über O-Yuki und betastete ihren geschwollenen Bauch. Er schlug den Kimono zurück und kniete nieder. Die Musik setzte wieder ein, leise und schrill. Das Mädchen keuchte und warf sich hin und her. Für einen Augenblick sah ich ihr Gesicht. Es war glatt und wies keine Konturen auf. Weder Augen noch Mund noch Nase waren zu sehen.
„O-Yuki ist gesichtslos!" rief ich überrascht.
Der Kokuo stand langsam auf.
„Sie ist eine Mujina. Eine Gesichtslose, die aber über die Fähigkeit verfügt, für kurze Zeit ein menschliches Gesicht zu formen. O-Yuki ist nicht wichtig. Sie ist eine meiner treuen Dienerinnen, die alles für mich tun würden. Kommen wir wieder zu dir, Michele da Mosto. In wenigen Augenblicken ist es soweit. Du wirst Harakiri begehen. Hast du mich verstanden?"
„Das wird dir nicht gelingen", sagte ich entschlossen.
Meine Bemerkung entlockte dem Dämon ein unheimliches Lachen.
„Hörst du die Musik, da Mosto? Sie wird immer lauter und durchdringender. Bald werde ich die unsichtbaren magischen Fesseln lösen, die dich lähmen. Und dann ist es soweit. Du wirst Selbstmord begehen."
Die Musik klang grauenvoll. Meine Ohren dröhnten. Ich spürte fremde Gedanken, die immer stärker von meinem Gehirn Besitz ergriffen. Vergeblich kämpfte ich gegen sie an.
„Töte dich!" befahlen mir die unheimlichen Gedanken.
Die unsichtbaren Fesseln fielen von mir ab. Ich konnte mich wieder frei bewegen. Doch mein Widerstand war gebrochen. Ich kämpfte nicht mehr gegen den fremden Zwang an.
Die beiden mir gegenübersitzenden Japaner bewegten sich rasch. Beide hoben die Schwerter, und sie rammten sie sich kreuzweise in die Körper.
„Töte dich, Michele da Mosto!" schrie der Kokuo.
Ich gehorchte. Tief stieß ich mir die Klinge in den Bauch, und ein entsetzlicher Schmerz durchraste meinen Körper.
„Sieh mich an, Michele da Mosto!" befahl der Herrscher.
Ich blickte hoch. Das Schwert erreichte mein Herz und zerschnitt es. Tränen rannen über meine Wangen, und der Schmerz raubte mir den Atem. Ich spürte, daß sich mein Geist anschickte, den Körper des sterbenden Michele da Mosto zu verlassen..
Der
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