0994 - Unheil über Shortgate
harte Tour.«
Sie wollte nicht warten, bis der andere die Initiative ergriff, sondern alles selbst in die Hand nehmen.
Nur hatte sie etwas zu lange gewartet, denn der Eindringling verfolgte ungefähr den gleichen Plan.
Er war auch um eine Idee schneller als Jane Collins.
Sie mußte erst den Vorhang zur Seite schieben, um freie Sicht zu haben, der Mann hatte sie sowieso. Er stand bereits zwischen den an den Wänden aufgereihten Puppen, und die bezog er in seinen Plan mit ein. Er bewegte seinen linken Arm, stieß eine Puppe hart an und wuchtete sie zu Boden.
Sie landete mit einem scheppernden Geräusch auf dem gebohnerten Untergrund, riß noch eine gegenüberstehende durch ihre verdrehten und ausgestreckten Arme mit und lenkte Jane Collins durch dieses kleine Chaos ab.
Darauf hatte der Eindringling gewartet.
Schnell wie ein Westernheld riß er die Waffe aus dem Gürtel hervor und schoß augenblicklich…
***
Lady Sarah Goldwyn, die Horror-Oma, hatte schon ein schlechtes Gewissen, als die Rückleuchten des Autos verschwanden, in dem Jane Collins weggefahren war. Für eine gewisse Zeit blieb sie noch nachdenklich vor der Tür stehen, eingehüllt von der spätherbstlichen Kälte, die den Geruch von feuchter Erde und nassem Laub in sich barg und auch den Dunst mitbrachte, der die Bäume, die Straße und die Häuser umspielte. Das Laub lag jetzt auf dem Boden. Zum Teil war es zusammengekehrt worden, aber große Reste bildeten noch immer gefährliche Rutschfallen, für Menschen und Autos.
Deshalb hatte Jane Collins auch vorsichtig abfahren müssen.
Als die feuchte Kälte durch die Maschen der Strickjacke drang, drehte sich die Horror-Oma um und ging ins Haus zurück. Sie wirkte nachdenklich und drückte die Tür langsam hinter sich zu. Sie zog noch einmal fröstelnd die Schultern hoch, seufzte dabei, strich sich über die Stirn und dachte daran, daß jetzt noch die Chance bestand, alles rückgängig zu machen.
Nein, sie wollte es nicht. Es ging nicht. Es wäre auch gegen ihre Ehre gegangen. Sie hatte etwas versprochen, und dieses Versprechen würde sie einhalten, auch wenn es ihr schwerfiel. Es ging ihr nicht gut. Sie wußte genau, auf was sie sich da eingelassen hatte. Ein Spaziergang war das beileibe nicht.
Deshalb fiel es ihr auch so schwer. Auf der anderen Seite wußte sie nicht, ob sie nicht letztendlich einem Hirngespinst nachlief, was Albert Sacketts Angaben betraf, doch daran wollte sie nicht glauben. Dieser Mann hatte Stil, auf ihn konnte man sich verlassen. Er war schon immer ein Gentleman gewesen, und Sarah rechnete damit, daß er sich auch in den letzten Jahren nicht geändert hatte. Sie hatte Albert, den Freund ihres verstorbenen letzten Mannes jedoch lange nicht mehr gesehen, und Jahre können eben Spuren hinterlassen, das wußte sie auch.
Ein Scherz war der Anruf sicherlich nicht gewesen. Albert mußte in Schwierigkeiten stecken. Er hatte von einem Sterben im Luxus gesprochen, von einem Ort, der nach außen hin so prächtig wirkte, tatsächlich aber faul und hohl war.
Sarah hatte länger mit Albert gesprochen und ihm auch vorgeschlagen, die Polizei einzuschalten.
Das hatte der Mann kategorisch abgelehnt. Auf keinen Fall wollte er die Polizei da mit hineinziehen, denn es würde wohl kaum zu beweisen sein. Auch eine Hilfe der Detektivin Jane Collins hatte er strikt abgelehnt. Er wollte, daß Lady Sarah allein kam.
Den Gefallen mußte sie ihm tun.
Sie kannte ihr Alter. Sie wußte auch, daß sie ihren jüngeren Freunden versprochen hatte, sich zurückzuhalten und nicht die gefährlichen Wege zu beschreiten, aber sie wäre nicht die Horror-Oma gewesen, um sich strikt an jedes Wort des Versprechens zu halten. Hin und wieder kribbelte es in ihr, und diesmal war das Kribbeln besonders stark ausgefallen. Sie wollte weitermachen und ihren Weg allein gehen. Kein Wort zu Jane Collins, die ihr abgeraten hätte. Zum Glück war Jane beschäftigt. Sie sollte einen raffinierten Kaufhausdieb stellen. Dieser Job beanspruchte sie am Tag und in der Nacht.
Sarah nahm den Weg über die Treppe in die erste Etage, wo Jane Collins wohnte. Dort betrat sie eines ihrer Zimmer und schaltete das Licht der Schreibtischlampe ein, bevor sie Platz nahm und nach einem Kugelschreiber griff.
So ganz ohne eine Nachricht zu hinterlassen, konnte sie doch nicht verschwinden, und sie mußte überlegen, was sie schreiben sollte. Leicht fiel es ihr nicht, auch wenn es nur wenige Zeilen waren, die sie zu Papier brachte.
Um sich zu
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